Sven Giegold

Neuer Verhaltenskodex der EU-Kommission: Die Drehtür zwischen Kommission und Lobbys schließt sich langsam

Morgen, am 1. Februar tritt der neue Verhaltenskodex der EU-Kommission in Kraft. Anlass für die Überarbeitung waren die Skandalen um den Wechsel von José Manuel Barroso zu Goldman Sachs und die Implikation von Neelie Kroes in den Panama Papers als Direktorin von Mint Holdings auf den Bahamas. Das Europäische Parlament hatte 20 Prozent der Übergangsgelder für ex-Kommissare eingefroren, um Druck für stärkere Ethik-Regeln zu machen. Die EU-Verträge geben dem Parlament kein Recht, mitzuentscheiden. Die Kommission muss nur auf einen Brief des Parlaments warten, in dem es seine Meinung mitteilt. An diesem Brief haben die Ausschüsse für Haushaltskontrolle, Recht und Verfassungsfragen mitgearbeitet. Die meisten Argumente stammen aus Parlamentsentschließungen, die von den Grünen Berichterstattern Pascal Durand und Sven Giegold entworfen wurden.

Konkret verlängert die EU-Kommission beim Wechsel vom Amt in einen Anschlussjob die Abkühlzeit von 18 auf 24 Monaten für Kommissare und auf 36 Monate für Präsidenten der Kommission. Der Ethikausschuss der Kommission wird künftig auch auf externe Beschwerden eingehen und seine Entscheidungen sowie einen Jahresbericht veröffentlichen. Die Kommissare müssen Firmenanteile und Aktien über 10.000 EUR angeben, auch darunter falls sie einen Interessenkonflikt verursachen könnten.

Dazu sagt Sven Giegold, Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen:

“Die stärkere Rolle für NGOs und Öffentlichkeit bei Ethik-Verfahren in der EU-Kommission sind ein wichtiger Schritt nach vorne. Die neuen EU-Regeln sind deutlich strenger als in der deutschen Bundesregierung. Nichtregierungsorganisationen können ab jetzt Ethik-Verfahren einleiten und Entscheidungen des Ethikausschusses der Kommission werden künftig öffentlich sein. Die von Juncker vorgeschlagene Mini-Erweiterung einer 6 Monate längeren Abkühlung für Kommissare ist eher amüsant.

Leider bleibt es beim Interessenkonflikt, dass die Kommission die Mitglieder ihres eigenen Ethikausschusses ernennt. Wenn die Kommission ihre eigenen Richter wählt, wird die Öffentlichkeit weiterhin an der Ernsthaftigkeit der Ethikregeln zweifeln. Daher brauchen wir einen gemeinsamen und unabhängigen Ethik-Ausschuss von Kommission, Parlament und anderen EU-Institutionen. Diese Idee unterstützt jetzt auch das Europaparlament in seinem Brief an die EU-Kommission1.

Mehr Transparenz über Aktien und Firmenanteile im Besitz von Kommissaren ist sehr willkommen. Es ist Augenwischerei, Aktien und Anteile, die zu einem Interessenkonflikt führen könnten, lediglich in einen Treuhandfonds zu überführen. Das Problem ist nicht die direkte Kontrolle über diese Anteile, sondern der mögliche finanzielle Gewinn aus politischen Entscheidungen. Nur die Verpflichtung, solche Aktien und Aktien zu verkaufen, kann solche Interessenkonflikte lösen.”

HINTERGRUND

Fußnote 1: Im Anhang des Briefes von Parlamentspräsident Antonio Tajani an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert das Parlament: “the upgrading of the Code of Conduct into an enforceable instrument and further guarantees for the independence of the Ethical Committee, notably by including the participation of other institutions”.

Neuer Verhaltenskodex der Kommission: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/draft-code-of-conduct-for-commissioners-2017_en.pdf

Brief von Tajani an Juncker: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2018/01/2018-01-23-Tajani-to-Juncker-COM-Code-of-Conduct.pdf

Anhänge des Briefes von Tajani an Juncker: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2018/01/2017-11-22-CCC-to-CoP-on-COM-CoC_612775-OR-PLUS_EN.pdf

AFCO-Beschluss vom 30.03.2017 über Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität mit den einschlägigen Ziffern 30 und 31: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bREPORT%2bA8-2017-0133%2b0%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE