Sven Giegold

Pressespiegel „Hedgefonds an die Leine“

Stuttgarter Zeitung, 19.05.2010

 

EU-Finanzminister legen Hedgefonds an die Leine
Regulierung Die Minister stimmen für Auflagen, doch das Parlament will noch mehr Kontrolle.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2491479_0_9223_-eu-finanzminister-legen-hedgefonds-an-die-leine.html

Von Christopher Ziedler, Brüssel

Am Ende hat der Vorgang nicht einmal zwei Minuten gedauert. „Manchmal sind die Dinge, die schnell gehen, auch wichtig“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Kreise seiner europäischen Kollegen kurz nach dem Votum, das die Finanzmarktregulierung in Europa voranbringt. Gegen den Widerstand Großbritanniens, das die Interessen der vor allem in der Londoner City ansässigen Hedgefonds verteidigte, stimmten die Minister dafür, die zwischen 1000 und 5000 spekulativen Fonds in der EU strengen Regeln zu unterwerfen.

Der zuständige Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments stimmte in der Nacht zum Dienstag für noch sehr viel weiter gehende Vorgaben. Nun müssen Ministerrat, Parlament und EU-Kommission im sogenannten Trilog, einer Art europäischen Vermittlungsausschuss, noch ihre jeweiligen Gesetzesentwürfe aufeinander abstimmen. „Ich glaube, dass das schnell gehen wird“, prophezeite Schäuble in Brüssel optimistisch. Der mit der Finanzmarktregulierung befasste EU-Kommissar Michel Barnier rechnete mit einer endgültigen Einigung im Verlauf des nächsten Monats. „Der rechtsfreie Raum für Hedgefonds“, so der CDU-Europaabgeordnete Burkhard Balz „neigt sich dem Ende entgegen.“ Der grüne Parlamentarier Sven Giegold, einst Aktivist des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, stellte nach dem Votum zufrieden fest: „Das Kasino bekommt Risse.“

Kern der Richtlinie, über die in mehreren Bereichen schon Einigkeit zwischen Ministerrat und Parlament besteht, ist die Zulassungspflicht. Wer künftig in der EU Geschäfte machen will, muss den Aufsichtsbehörden eine Fülle von Daten liefern: Wer sind die Kapitalgeber? Welche Anteile halten sie? Wie viel Eigenkapital steht bereit? Wie sieht der Geschäftsplan aus? Wie ist die Anlagestrategie?

Vor allem die sogenannte Hebelwirkung ist von Belang, wenn es darum geht, künftige Finanzkrisen zu verhindern. Bisher nämlich operieren Hedgefonds oft so, dass sie mit geborgtem Geld wetten, um kurzfristig höhere Gewinne zu machen. Geht die Wette schief, müssen meist mehrere beliehene Banken mit enormen Ausfällen rechnen – das Risiko ist extrem hoch. „Nun müssen die Fonds vorher sagen, mit wie viel Kredit sie arbeiten werden“, sagt der CDU-Abgeordnete Balz. So sieht es zumindest der Entwurf des Parlaments vor, das sich zudem wünscht, dass die künftige europäische Finanzaufsicht die maximale Hebelwirkung per Gesetz definieren darf.

Im Ministerentwurf steht davon allerdings nichts. Der Deutsche Schäuble nennt als Erfolg, dass neben den Mindestanforderungen an das benötigte Eigenkapital die Hedgefonds und Private-Equity-Unternehmen „nun fortlaufend beaufsichtigt werden“. Denn alle Akteure, die mehr als 100 Millionen Euro an Vermögen verwalten und damit unter die Richtlinie fallen, müssen jede Änderung der zulassungsrelevanten Daten melden. Tun sie dies nicht, verlieren sie ihre Zulassung.

Klar zwischen beiden europäischen Gesetzgebungsorganen ist auch, dass die Manager der Fonds nach Kriterien entlohnt werden, die „nicht zur Übernahme von Risiken ermutigen“. Entsprechend muss in einem solchen Unternehmen auch die Verwaltung der Portfolios vom Risikomanagement getrennt sein.

Den größten Streit schon innerhalb des Ministerrates mit den Briten, aber auch mit dem Parlament verursacht die sogenannte Drittstaatenregelung: Welchen Regeln unterliegen Fonds von außerhalb der Europäischen Union? Die Briten wollten ihnen den sogenannten EU-Pass geben, wenn ihr Heimatland versichert, die dortigen Regeln entsprächen grob denen in der EU. Die übrigen Minister beharrten jedoch darauf, dass eine Überprüfung des jeweiligen Unternehmens in einem EU-Staat erfolgen muss. Hintergrund ist der, dass viele Hedgefonds vom Steuerparadies der Cayman Islands aus operieren, die zwar nicht unter EU-Recht fallen, aber unter Einfluss der Londoner Regierung stehen. In der Karibik hätten die Geschäfte somit weiterlaufen können. Parlamentarier wie Giegold bemängeln jedoch, dass auch der an sich positive Ministerbeschluss bereits „von Lobbyinteressen durchlöchert“ sei. Er sehe vor, dass einzelne Länder die Fonds von außen auch nur auf ihrem Gebiet zulassen könnten. In den anstehenden Verhandlungen werde man darauf dringen, dass die EU nicht solchen „Oasen-Fonds Marktzugang zum Binnenmarkt gewähren“ werde.

Scharfe Auseinandersetzungen dürfte es auch bei den Private-Equity-Unternehmen geben, die der frühere SPD-Chef Franz Müntefering einst „Heuschrecken“ taufte. Während die Minister in ihrem Gesetzentwurf es bei den Transparenzregeln belassen, geht das Europaparlament deutlich weiter. So sollen die Investoren etwa aufgekaufte mittelständische Betriebe nicht mehr sofort „ausschlachten“ dürfen, sondern wenigstens fünf Jahre auf den langfristigen Unternehmenserfolg verpflichtet werden. Außerdem spricht sich das Parlament für das Recht der Belegschaft aus, mit dem Investor zu reden. „Bisher“, so der Grünen-Abgeordnete Giegold, „läuft die Mitbestimmung in solchen Fällen nämlich meist ins Leere.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine französische Kollegin Christine Lagarde wollen das Treiben an den internationalen Finanzmärkten mit strengeren Regeln in den Griff bekommen. Foto: dpa

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taz, 19.05.2010

Heuschrecken an die Leine

DANIELA WEINGÄRTNER

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=a2&dig=2010%2F05%2F19%2Fa0042&cHash=b2d564cd76

FINANZMÄRKTE EU-Finanzminister stimmen für strengere Kontrollen für Hedgefonds. Warnung aus den USA

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Es dauerte gestern nur wenige Minuten, dann war die „Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds” im Finanzministerrat abgenickt. Sie soll Manager der als hochspekulativ in Verruf geratenen Hedgefonds in der EU strenger kontrollieren. Großbritannien hatte den seit April 2009 vorliegenden Entwurf der EU-Kommission ein Jahr lang blockiert.

80 Prozent dieser Fonds sind in London angesiedelt. Drei Viertel davon haben ihren Hauptsitz aber in einem der Steuerparadiese. Deshalb fürchtete die Labour-Regierung, diese lukrativen Kunden könnten ganz in weniger streng kontrollierte Finanzzonen abwandern. Noch im März hatte die spanische Ratspräsidentschaft das Thema auf britischen Druck wegen der anstehenden Wahl von der Tagesordnung genommen. Doch vergangenen Freitag rief der neue konservative Finanzminister George Osborne seine spanische Kollegin an und signalisierte, dass sich die neue britische Regierung nicht länger sperren werde.

Dieser Entschluss wurde wohl dadurch beflügelt, dass andere Mitgliedsländer Druck auf die spanische Ratspräsidentschaft ausgeübt hatten, nicht länger den Konsens zu suchen. Ein Vetorecht gibt es in dieser Frage nicht, die qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten reicht aus. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte gestern in Brüssel beim Finanzministertreffen: „Ich glaube, dass Großbritannien das einsieht. Das ist so in Europa: Wir sind eine Gemeinschaft, und da gibt es auch Entscheidungen gegen ein einzelnes Mitgliedsland.”

Doch damit ist nur die erste Hürde für das Gesetz genommen. Bereits am Montagabend hatte der Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments über die Richtlinie abgestimmt und sie gegenüber dem Kommissionsentwurf verschärft. Nachbesserungsbedarf sieht das Parlament vor allem bei den Regeln, die für Manager gelten sollen, deren Fonds außerhalb der EU angesiedelt sind. Der Rat will, dass diese Fonds nach den Mindeststandards des Mitgliedstaates kontrolliert werden, in dem sie tätig werden. Das EU-Parlament will einheitliche europäische Mindeststandards für alle ausländischen Fonds. „Sonst würden die Briten ihre Steueroasen auf den Inseln in Ruhe lassen und damit die einheitliche Regelung unterlaufen”, sagte der grüne Finanzexperte Sven Giegold der taz. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Länder, die Produkte auf den europäischen Markt bringen wollen, einheitliche Mindeststandards erfüllen müssen.” Widerstand gegen die Vorschläge des EU-Parlaments kommt aus den USA. Im März hatte US-Finanzminister Timothy Geithner in einem Brief an die EU-Kommission vor „transatlantischen Spannungen” gewarnt, falls diese „protektionistischen” und US-Fonds „diskriminierenden” Regeln Gesetz werden.

Am 31. Mai beginnen die Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission. Giegold ist optimistisch, dass sich das Parlament mit seinen Forderungen durchsetzen kann. „Letztlich ist der öffentliche Druck entscheidend. Weder die Bundesregierung noch andere Mitgliedstaaten können es sich derzeit erlauben, gegen die wirksame Kontrolle zu sein, die sie selbst ständig öffentlich einfordern.” Auch Schäuble glaubt an eine rasche Einigung – aber im Sinne des Rates. Es sei ausreichend, die Zulassung und Beaufsichtigung der Manager durch die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde abzuwickeln. Sollte ein Fonds in mehreren Mitgliedsstaaten angesiedelt sein, würden die nationalen Behörden eben eng zusammenarbeiten.

Bereits am Freitag treffen sich die Finanzminister erneut in Brüssel. Unter Leitung von EU-Präsident Herman Van Rompuy wollen sie darüber beraten, wie die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten enger abgestimmt werden kann. Ein Vorschlag der EU-Kommission, die Haushalte der Mitgliedstaaten auf EU-Ebene zu diskutieren, bevor sie den nationalen Parlamenten vorgelegt werden, hatte in den Hauptstädten vergangene Woche für Aufregung gesorgt. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sieht die Sache weniger dramatisch. „Wenn ein Land x die Steuern senkt und ein Land z sie erhöht, wollen wir die Auswirkungen auf die Währungszone diskutieren – das ist alles. Das beschneidet in keiner Weise das Haushaltsrecht der Parlamente.”

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Der Tagesspiegel, 19.05.2010

 

Risse im Kasino // Europas Finanzpolitiker feiern ihre neuen Hedgefonds-Regeln. Banker sprechen dagegen von Aktionismus

Von Christopher Ziedler, Brüssel, und Rolf Obertreis, Frankfurt/Main

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/risse-im-kasino/1841522.html

Am Ende hat der Vorgang nicht einmal zwei Minuten gedauert. „Manchmal sind die Dinge, die schnell gehen, auch wichtig“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag kurz nach dem Votum im Kreise seiner europäischen Amtskollegen, das die Finanzmarktregulierung in Europa voranbringt. Gegen den Widerstand Großbritanniens, das die Interessen der vor allem in der Londoner City ansässigen Hedgefonds verteidigte, stimmten die Finanzminister dafür, die zwischen 1000 und 5000 spekulativen Fonds in der EU strengen Regeln zu unterwerfen.

Der Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments stimmte in der Nacht zum Dienstag für noch sehr viel weitergehende Vorgaben. Nun müssen Ministerrat, Parlament und EU-Kommission im sogenannten Trilog, einer Art Vermittlungsausschuss, ihre jeweiligen Gesetzesentwürfe noch aufeinander abstimmen. „Ich glaube, dass das schnell gehen wird“, prophezeite Schäuble in Brüssel.

Der mit der Finanzmarktregulierung befasste EU-Kommissar Michel Barnier rechnete mit einer endgültigen Einigung im Verlauf des nächsten Monats. „Der rechtsfreie Raum für Hedgefonds“, so der CDU-Europaabgeordnete Burkhard Balz „neigt sich dem Ende entgegen.“ Der grüne Parlamentarier Sven Giegold, einst Aktivist des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, stellte zufrieden fest: „Das Kasino bekommt Risse.“

Kern der Richtlinie, über die in mehreren Bereichen schon Einigkeit zwischen Ministerrat und Parlament besteht, ist die Zulassungspflicht. Wer künftig in der EU Geschäfte machen will, muss den Aufsichtsbehörden eine Fülle von Daten liefern: Wer sind die Kapitalgeber? Welche Anteile halten sie? Wie viel Eigenkapital steht bereit? Wie sieht der Geschäftsplan aus? Wie ist die Anlagestrategie?

Vor allem die sogenannte Hebelwirkung ist von Belang, wenn es darum geht, künftige Finanzkrisen zu verhindern. Bisher nämlich operieren Hedgefonds oft so, dass sie mit geborgtem Geld wetten, um kurzfristig höhere Gewinne zu machen. Geht die Wette schief, müssen meist mehrere beliehene Banken mit enormen Ausfällen rechnen. „Nun müssen die Fonds vorher sagen, mit wie viel Kredit sie arbeiten werden“, sagt der CDU-Abgeordnete Balz. So sieht es zumindest der Entwurf des Parlaments vor, das sich zudem wünscht, dass die künftige europäische Finanzaufsicht die maximale Hebelwirkung per Gesetz definieren darf. Im Ministerentwurf steht davon aber nichts.

Aus Sicht von Bankern und Börsianern hat vor allem der Gesetzentwurf des Parlaments zur Meldepflicht und für mehr Transparenz bei den Hedgefonds einen entscheidenden Haken: Die Vorschrift ist auf die EU begrenzt. Das schließt zwar mit London den Finanzplatz ein, an dem rund 80 Prozent aller Hedgefonds sitzen, aber ihre Tätigkeit müssen sie nicht von dort oder von einem anderen Ort in der EU ausüben. „Hedgefonds können im Prinzip auch aus dem Kongo heraus agieren,“ sagte Andreas Fink, Sprecher des BVI, dem Branchenverband der Investmentfonds-Industrie. Längst gebe es Umzüge kleinerer Hedgefonds von London in die Schweiz, weiß ein anderer Banker. „Damit umgehen sie die Regulierung, mehr Transparenz gibt es also nicht.“ Und solange ähnliche Regulierungen nicht auch am weltgrößten Finanzplatz USA gelten, bieten sich auch New York oder US-Provinzstädte als Standort für Hedgefonds an, heißt es in Frankfurt.

Immerhin ist sich Uwe Angenendt, Chefvolkswirt der BHF Bank, aber sicher, dass die EU mit ihrem Gesetzesvorhaben auch international mehr Druck ausüben wird, um Hedgefonds an die Kandare zu nehmen. „Ansonsten drohen auch massive Wettbewerbsverzerrungen.“

Banker sehen im Vorhaben der EU allerdings auch ein Indiz für Aktionismus. „Man schlägt auf Hedgefonds ein, dabei sind sie für die Finanzkrise ebenso wenig wie für die Griechenland-Krise verantwortlich.“ Am Grundproblem der Griechenland- und Euro-Misere, so heißt es in Frankfurt, seien die Hedgefonds nicht schuld. Das Grundproblem sind die überbordenden Haushaltsdefizite.

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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