Sven Giegold

Schuldenkrise: Fünf Grüne Tests für den Euro-Gipfel

Zum Euro-Gipfel am 23./24. Oktober erklären Sven Giegold und Gerhard Schick, finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament und im Bundestag:

„Die Erwartungen sind groß vor diesem Europäischen Gipfeltreffen. Denn die Fehler sowohl der bisherigen Finanzmarktregulierung als auch der bisherigen Rettungsmaßnahmen erfordern nun ein konsequentes Eingreifen.

 

1) Bankenrekapitalisierung – europäisch & demokratisch

Nötig ist ein gesamteuropäischer Ansatz an die Bankenrekapitalisierung. Die Bundesregierung hat bisher auf den Vorrang nationaler Lösungen gedrungen. Das schafft monatelange Unsicherheit über die Bankenrettung. Hier sieht man: Mehr Europa ist Teil der Lösung, nicht das Problem. Konkret:

– Wenn staatliches Geld zur Steigerung der Kapitalausstattung nötig wird, muss dies europäisches Geld sein, um die wechselseitige Verschärfung von Banken- und Staatsschuldenkrise zu durchbrechen. Eine indirekte Rekapitalisierung durch den EFSF löst das Problem nicht.

– wenn staatliches Geld eingesetzt wird, müssen soweit Eigentumsrechte und Kontrolle an den Steuerzahler übergehen (Teilverstaatlichung). Durch eine zeitweilige Verstaatlichung der geretteten Banken müssen Gewinne an die Staatskasse zurückfließen. Die Kontrollrechte sind zu nutzen, um die Geschäftsmodelle zu verändern, eine Bilanzverkürzung über die Verminderung der Kreditvergabe an die Relwirtschaft zu verhindern, Selbstbedienung von Managern bei Pensionen, Boni oder Gehältern sowie Rechtsbruch durch staatlich gestützte Banken, z.B. in Form der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu verhindern.

– Die EBA muss europaweit einheitliche Standards der Eigenkapitalausstattung vorgeben, die sich natürlich nicht an der bisherigen risikogewichteten Norm orientieren kann, denn nach wie vor haben Staatsanleihen ein Risikogewicht von Null.

 

2) Überzeugende Lösung der akuten Schuldenkrise

– Griechenlands Schulden müssen nach dem Prinzip der Schuldentragfähigkeit des Landes und orientiert an den gegenwärtigen Marktpreisen umgeschuldet werden.

– Eine wie auch immer geartete Hebelung des EFSF darf höchstens Übergangslösung für eine stabile Lösung über europäische Anleihen (Eurobonds) sein.

– Die Umschuldung und die Sparanstrengungen in Südeuropa müssen begleitet werden von einem europäisch koordinierten, kräftigen Grünen Investitionsprogramm in Erneuerbare Energien, Energie- und Rohstoffeffizienz und Bildung begleitet werden, um die Abwärtsspirale zu beenden.

 

3) Konsequente Finanzmarktregulierung

– Wir brauchen einen europäischen Ansatz gegen das Too big to fail-Problem, das gerade Deutschland und Frankreich im Interesse ihrer Großbanken bisher ignoriert haben. Dazu sollten auf europäischer Ebene die Überlegungen aus den USA (Volcker-Rule) und Großbritanniens genutzt werden (Vickers-Kommission), um das riskante Investmentbanking komplett vom realwirtschaftlich sinnvollen Bankgeschäft zu trennen.

– Undurchsichtige, spekulative Finanzprodukte müssen verboten werden.

– Wir fordern eine Schuldenbremse für Banken, d.h. eine ungewichtete Eigenkapitalvorschrift (leverage ratio). Hier muss die Bundesregierung endlich ihre Blockade aufgeben.

 

4) Sozialer Lastenausgleich

In dieser Krise darf die soziale Schieflage nicht weiter vergrößert werden. Im Gegenteil wird eine Stabilisierung der Finanzmärkte ohne einen neuen sozialen Ausgleich nicht gelingen. Wir erwarten vom europäischen Gipfel ein klares Signal, gerade auch an die Menschen in den Krisenstaaten, die einen teuren Preis für politische Fehler der letzten Jahre zahlen:

– Die Finanztransaktionssteuer für die gesamte Europäische Union muss endlich ein klares politische „Go!“ bekommen.

– Die großen Vermögen wurden mit teuren Rettungsmaßnahmen gestützt. Sie müssen nun einen Beitrag zur Finanzierung der Kosten tragen, etwa durch europäisch koordinierte Vermögensabgaben.

 

5) Vertragsänderung auf den Weg bringen

Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen ein Verfahren zur Änderung der europäischen Verträge auf den Weg bringen, das ermöglicht, die neuen Anforderungen an Europa umzusetzen. Denn es bedarf einer Vertragsänderung, um europäische Anleihen zu ermöglichen, um die Idee der europäischen Wirtschaftsregierung in den Verträgen zu verankern, um die parlamentarische Kontrolle europäischen Regierens zu stärken und um die Steuerpolitik in Europa anzugleichen, damit große Unternehmen und Spitzenverdiener sich nicht mehr die Unterschiede europäischer Steuergesetze für Steuerumgehung oder –hinterziehung zunutze machen können. Das geht nur über einen neuen Europäischen Konvent, der in Volksabstimmungen mündet.“

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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