Die EU-Kommission hat im Kampf gegen die Steuerhinterziehung eine Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen ins Leben gerufen. Heute hat diese Plattform das erste Mal getagt. Die Idee der Plattform klang durchaus viel versprechend: Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sollten gemeinsam Strategien gegen die Steuerflucht entwickeln.
Doch leider scheinen sich die Vertreter von Finanz- und Wirtschaftslobby, die Klinke gegenseitig in die Hand zu drücken. Verantwortliches Handeln im Steuerwesen kann sehr verschieden interpretiert werden, zum Beispiel als Verantwortung gegenüber den Aktionären. Die jüngsten Skandale um die Steuervermeidungstaktiken von Apple, Google und Co zeigen das. Dass nun ausgerechnet einige der eifristen Nutzer von Steuervermeidungsstrategien beim Kampf gegen Steueroasen in übermäßiger Zahl mit im Boot sitzen, wirkt wie blanker Hohn. Auch die NGO Corporate Europe, die sich engagiert, Lobbyeinflüsse auf EU-Ebene offen zu legen, prangert dies an.
Im Europaparlament bin ich Mitinitiator einer Parlamentarischen Frage an die Kommission. Mitzeichner sind meine Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fraktionen. Zu ihenen gehören Nessa Childers von den Sozialdemokraten, mein grüner Fraktionskollege Bas Eickhout, Monica Luisa Macovei von den Christdemokraten und die Liberale Sylvie Goulard.
Wir wollen von der Kommission wissen, wie sie es rechtfertigt, dass mehr als doppelt so viele Teilnehmer der Plattform aus der Industrie kommen als aus anderen gesellschaftlichen Bereichen wie aus Gewerkschaften, NGOs oder aus der Wissenschaft. Gleichzeitig wollen wir wissen, wie die Kommission gedenkt, den offensichtlichen Interessenkonflikten zu begegnen.
Eigentlich soll die Plattform dazu dienen, das Vorgehen gegen Steueroasen und aggressive Steuerplanung innerhalb Europas zu koordinieren und effektiver zu machen. Immerhin gehen der europäischen Union durch Steuerhinterziehung und -vermeidung jährlich rund eine Billion Euro an Steuereinnahmen verloren. Leider droht die Initiative der Kommission angesichts der starken Lobbypräsenz zu einem zahnlosen Tiger zu werden.
Konkret beklagen wir, dass die Gewichte innerhalb der Plattform nicht gerecht verteilt sind und dass unter den Lobbyvertretern ein Großteil aus der Finanzlobby kommt. Es sitzen beispielsweise Vertreter der großen Arbeitgeberverbände wie dem BDI mit am Tisch, deren favorisierter Vorschlag zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung die Senkung der Unternehmensbesteuerung ist, was angesichts der einschneidenden Austeritätspolitik ziemlich dreist erscheint. Auch Buchhalter, die ihren Kunden dabei helfen, Gewinne über Steueroasen abzuwickeln, sind in der Expertengruppe vertreten.
Tatsächlich vertreten die meisten der anwesenden Organisationen dieselben Interessen. Zum Beispiel sind fünf große europäische Arbeitgeberverbände vertreten, aber nur eine einzige Gewerkschaft.
Vor dem Hintergrund dieser starken Lobbypräsenz droht die prinzipiell gute Idee der Kommission zu einer reinen Lobbyveranstaltung zu verwaschen. Die Kommission muss sich gegen die Überrepräsentation der Finanzlobby etwas einfallen lassen.