Heute hat das Europaparlament seine Position zum Revisionsvorschlag der Richtlinie über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten („Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie„) verabschiedet (1). Im Kern sieht die Richtlinie eine Harmonisierung der Steuersysteme vor, die für verbundene Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten gelten. Konkretes Ziel ist die Vermeidung der Doppel- oder Mehrfachbesteuerung von Zinszahlungen oder Lizenzgebühren, die zwischen verbunden Körperschaften innerhalb eines internationalen Konzerns geleistet werden.
Das Abstimmungsergebnis kommentiert Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
„Die Abgeordneten haben sich heute für gute und konkrete Maßnahmen gegen schädlichen Steuerwettbewerb ausgesprochen. Die europäische Harmonisierung zur Förderung des Gemeinsamen Marktes hat auch den Effekt, dass es multinationalen Konzernen möglich ist, verschiedene Steuersysteme innerhalb Europas gegeneinander auszuspielen. Diese Steuerplanung führt in einigen Fällen zu Doppel-Nichtbesteuerung und drastischer Verringerung der effektiven Unternehmenssteuersätze.
Die enorme Belastung der öffentlichen Haushalte erfordert drastische Maßnahmen von den nationalen Parlamenten bei ihren Bemühungen, die Budgets wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Einkommenseinbußen durch zu geringe Einnahmen bei der Unternehmensbesteuerung werden dann auf die Schwächsten umgelegt, indem zum Beispiel Einkommens- und Mehrwertssteuern angehoben werden. Allerdings ist dies nicht erst seit Ausbruch der Finanzkrise der Fall. Der Binnenmarkt ist zwar fester Bestandteil des europäischen Aufbauwerks, er beschränkt aber im Bereich Besteuerung auch die Hoheitlichkeit der Mitgliedstaaten.
Das Europaparlament hat meine Vorschläge für gezielte Maßnahmen angenommen, wodurch diese Gestaltungsmöglichkeiten einschränkt werden. Die nationalen Regime müssen die Qualifizierungen der Zahlungen anderer Staaten berücksichtigen, bevor Zinszahlungen zum Beispiel als Kosten abgesetzt werden können. Wenn die Zahlungen nämlich auch im Quellenstaat von der Besteuerung befreit sind, werden sie gar nicht besteuert. Außerdem einigten sich die Mitglieder auf eine Mindestbesteuerung von über 16% der Einkünfte aus Zinsen und Lizenzgebühren.
Der Rat sollte davon absehen, den Kommissionsvorschlag unverändert durchzuwinken, da dieser als Rechtsgrundlage für diverse aggressiver Steuervermeidungsinstrumente dient. In Zeiten rigoroser Sparpolitik in ganz Europa, können es sich die Regierungen nicht leisten nachgiebig mit Steuerhinterziehung und -vermeidung umzugehen.“
(1) Der Text des Berichts ist hier abrufbar: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2012-0227+0+DOC+PDF+V0//DE