Sven Giegold

SZ-Interview: „Abkommen für Dumme“ – Die Steuereinigung mit der Schweiz bringt wenig

Süddeutsche Zeitung vom 21.07.2012, Seite 17

„Abkommen für Dumme“

Die Steuereinigung mit der Schweiz bringt wenig, sagt Grünen-Europaabgeordneter Sven  Giegold

Kommt es oder kommt es nicht? Nach dem jüngsten Streit um den Ankauf von Steuer-CDs, ist fraglich, ob sich die Schweiz und Deutschland auf ein Steuerabkommen einigen. In Deutschland hängt das Abkommen wegen des Widerstands der Opposition im Bundesrat fest. In der Schweiz gibt es im Herbst eine Volksabstimmung dazu. Sprechen sich die Schweizer dagegen aus, dürfte es das Aus für das Abkommen sein. Man werde nicht noch einmal erneut darüber verhandeln, machte die Regierung in Bern klar. Schade eigentlich, denn dem deutschen Fiskus würde das Abkommen auf einen Schlag zehn Milliarden Euro einbringen. Ein Argument, dass den Grünen-Europaabgeordneten Sven  Giegold kalt lässt. Der Wirtschafts- und Finanzexperte und Mitbegründer des Netzwerks für Steuergerechtigkeit hält die Zahl ohnehin für übertrieben.

SZ: Das Geld könnten Bund und Länder gut brauchen. Warum sind Sie dagegen?
Giegold: Die zehn Milliarden sind doch eine Mondzahl, reines Wunschdenken. Nicht umsonst waren die Schweizer Banken nur bereit, zwei Milliarden Franken zu garantieren. Die wissen auch, dass das ein Abkommen zur Besteuerung dummer Steuerflüchtlinge ist. Wer nicht ganz schlafmützig ist, hatte genug Zeit, sein Geld außer Landes zu bringen.

Immerhin würde mit dem Abkommen in der Schweiz verstecktes Geld wie in Deutschland versteuert.
Dann wandert das Geld eben woanders hin. Das eigentliche Problem ist doch, dass es in Europa und auch innerhalb der EU immer noch Länder gibt, die sich systematisch Steuerflüchtlingen anbieten. Es ist doch niemandem verständlich zu machen, dass ein Hilfspaket nach dem anderen geschnürt wird und sogar Empfängerländer Steuerhinterziehern dabei helfen, dem deutschen Fiskus Geld wegzunehmen.

Welche Länder meinen Sie?
Zypern zum Beispiel, Irland, Österreich, die Niederlande oder Luxemburg. Diese Länder bieten Steuerflüchtlingen Asyl oder missbrauchen ihre EU-Mitgliedschaft, um Unternehmen zu ermöglichen, Körperschaftssteuer zu vermeiden. Ich verlange nicht, dass die Steuern überall gleich sind. Aber die Firmensteuern müssen da erhoben werden, wo die Gewinne erwirtschaftet werden. Derzeit verschieben Firmen Gewinne zu Töchtern im Ausland und zahlen so teilweise gar keine Steuern.

Was würde dagegen helfen?
Wir brauchen einen europäischen Steuerpakt. Wenn die Gemeinschaft immer höhere Risiken schultern muss, um den Euro zu stabilisieren, muss auch gegen Steuerflucht und Steuerdumping vorgegangen werden. Wenn das mit 27 nicht geht, muss eine kleinere Gruppe vorangehen. Zudem muss wer Geld von der Gemeinschaft erhält, nicht nur zum Sparen verpflichtet werden, sondern auch zu Maßnahmen gegen Steuerdumping und Steuerflucht.

Was würde so ein Steuerpakt regeln?
Eine Mindestbesteuerung etwa. Oder, genauso wichtig, gemeinsame Regeln zur Berechnung der Unternehmenssteuern, damit die Firmen ihre Gewinne nicht mehr dain verschieben können, wo sie keine Steuern zahlen. Leider bleibt die Bundesregierung bei der Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerdumping völlig untätig.

Woran liegt das?
Mein Eindruck ist, es liegt an der FDP und Teilen der Union. Die aktive Verfolgung der Steuerflucht ist ihnen doch so fremd, wie dem Kardinal Meisner der Kölner Christopher Street Day. In der FDP-Fraktion sitzen sozusagen die Schutzheiligen der Steuerflüchtlinge.

Interview: Malte Conradi

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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