Berlin – Im Zuge der geplanten Verschärfung des EU-Stabilitätspaktes drohen Deutschland finanzielle Sanktionen durch die EU-Kommission, wenn es durch fortgesetzte Überschüsse im Handel mit den anderen EU-Staaten zur Destabilisierung der Euro-Zone beiträgt. Das ergibt sich aus dem Kompromiss, den Vertreter des Europäischen Parlaments und des Ministerrats am Donnerstag über die Reform ausgehandelt haben. Demnach soll die Kommission künftig nicht mehr nur gegen Defizite in den staatlichen Haushalten vorgehen, sondern auch einschreiten, wenn Mitgliedsländer hohe Defizite oder Überschüsse in der Leistungsbilanz aufweisen. Dahinter steht die Einsicht, dass Handelsüberschüsse zwangsläufig mit Defiziten in anderen Ländern einhergehen.
Bei Einbruch der Konjunktur schlagen die darüber angehäuften privaten Schulden zumeist auf die Staatshaushalte durch, so wie es in Irland und Spanien geschah.
Die Bundesregierung und insbesondere die Minister der FDP hatten bisher stets die Forderung nach Abbau der deutschen Exportüberschüsse zurückgewiesen. Das EU-Parlament bestand jedoch darauf, auch die Überschussstaaten der Überwachung zu unterstellen und setzte sich damit bei den Verhandlungen durch. Daraufhin hatte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegenüber dem „Handelsblatt“ zunächst behauptet, die EU-Kommission solle die Überschussländer „nur überwachen, aber nicht sanktionieren“. Doch das stimmt so nicht. Der Kompromiss stelle es der EU-Kommission ausdrücklich frei, auch gegen Überschussländer vorzugehen, erklärte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. In diesem Fall könnte nur eine Mehrheit im Rat der Finanzminister mögliche Sanktionen stoppen. Allerdings sei ein Verfahren nur vorgesehen, wenn die Überschüsse als „übermäßig“ eingestuft würden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums nun. Die Kriterien dafür seien bisher aber noch gar nicht festgelegt. Zudem sei noch nicht entschieden, ob die Bundesregierung der nun ausgehandelten Formulierung zustimmen werde. Das ließ auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag offen. Eine Ablehnung durch den Rat würde jedoch voraussichtlich die ganze Reform zu Fall bringen.
Derweil hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Union und FDP vor Populismus in der Euro-Politik gewarnt. „Alle drei Regierungsparteien stehen in diesen Wochen und Monaten in einer ganz besonderen Verantwortung für die Zukunft des Landes. Sie dürfen der Versuchung, ihre Politik an der aktuellen, kurzfristigen Stimmungslage auszurichten, nicht nachgeben“, sagte der CSU-Politiker. „Regierungsfähigkeit hängt davon ab, in historischen Situationen die richtigen Antworten zu geben und nicht taktische, populistische Entscheidungen zu treffen“, fügte Friedrich hinzu.
Zugleich äußerte Friedrich Kritik an der Mitgliederbefragung der FDP über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. „Wenn es um Regierungsverantwortung geht, ist eine Mitgliederbefragung unangemessen. Abgeordnete werden von der gesamten Bevölkerung gewählt und sind dieser verpflichtet – so sieht es auch unsere Verfassung vor.“ Er wandte sich damit auch gegen Überlegungen einzelner CDU- und CSU-Politiker, dem Vorbild der FDP zu folgen und eine Mitgliederbefragung durchzuführen. ctr/has/hsc