Sven Giegold

Transparenz bei Steuersparmodellen: Olaf Scholz muss deutschen Gesetzentwurf nachbessern

Vor knapp einem Jahr, am 13. März 2018, hat der Rat der EU-Finanzminister die Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle beschlossen. Laut EU-Richtlinie 2018/822 (“DAC 6”) sollen ab 1. Juli 2020 Steuerberater, Anwälte, Bankberater und Finanzdienstleister die von ihnen angebotenen Steuersparmodelle mit Auslandsbezug dem inländischen Finanzamt mitteilen. Die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten müssen diese Daten dann automatisch untereinander austauschen.

Bis Ende 2019 haben die Mitgliedstaaten Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Seit 30. Januar 2019 liegt der Referentenentwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes vor, am 1. März endete die Konsultation.

 

Dazu sagt der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Die europäische Richtlinie zur Bekämpfung aggressiver Steuergestaltungen ist ein großer Erfolg Europas und der OECD/G20. Das geplante deutsche Umsetzungsgesetz torpediert die Transparenz bei Steuersparmodellen. Mit seinem Referentenentwurf macht sich das deutsche Bundesfinanzministerium zum Steigbügelhalter der Helfer von Steuerdumping. Der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Olaf Scholz erweist der Steuergerechtigkeit einen Bärendienst.

Die in der deutschen Umsetzung vorgesehenen Sanktionen von maximal 25.000 Euro sind weder wirksam noch abschreckend und widersprechen damit der EU-Richtlinie. Um gegenüber den großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften eine abschreckende Wirkung zu entfalten, müsste die maximale Sanktion eher bei 1 Million Euro liegen.

Der Entwurf des Bundesfinanzministeriums ist ein Geschenk an die Steuerberatungsbranche. Deutschland schöpft den Spielraum der EU-Richtlinie zur Befreiung von Steuerberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Notaren voll aus und verschiebt damit die Meldepflicht regelmäßig auf die Steuerpflichtigen. Anstatt selbst transparent über Steuergestaltungsmodelle zu berichten, verdienen sich Ernst&Young und andere bei der Beratung zur Meldepflicht ihrer Klientinnen und Klienten eine goldene Nase.

Die Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen ist ein Trumpf gegenüber der europäischen Richtlinie, die die Meldepflicht nur für grenzüberschreitende Fälle verlangt. Wie das Beispiel der Cum-Ex-Geschäfte oder auch der Share-Deals gezeigt hat, können auch nationale Gestaltungen großen Schaden anrichten. Es ist unverantwortlich, dass CDU und CSU sich immer noch nicht zu einer nationalen Meldepflicht klar bekennen. Doch der geforderte Relevanztest als Bedingung für nationale Meldefälle beschränkt die Wirkung der neuen Regelung unnötig. Ich appelliere an Olaf Scholz, den Referentenentwurf nachzubessern, damit ein europäischer Erfolg auch zu einem vollumfänglichen Erfolg in Deutschland und für unsere Partnerländer wird. Ein Ende dubioser Steuerpraktiken kommt allen Bürgerinnen und Bürgern zu Gute.”

 

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Meine schriftliche Stellungnahme vom 28. Februar zum Referentenentwurf des deutschen Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Scholz,

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schmidt,

Beiläufig bekam ich Kenntnis von Ihrem Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/822 zum verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen. Diese Richtlinie ist ein großer Erfolg Europas und der OECD/G20 in der Bekämpfung aggressiver Steuergestaltungen, an dessen Vorbereitung ich auch beteiligt war. Die nun in Ihrem Hause entworfene Umsetzung unserer Richtlinie ist leider sowohl bürokratisch als auch ein Geschenk an die Steuerberatungsbranche. Sie widerspricht nach meiner Überzeugung auch in einem wichtigen Punkt dem europäischen Recht und ist in zwei weiteren wichtigen Punkten schwach.

Daher erlaube ich mir, ungefragt aber doch fristgemäß, ebenso eine Stellungnahme zu Ihrem Referentenentwurf abzugeben:

  1.  Die in der deutschen Umsetzung vorgesehenen Sanktionen von maximal 25.000 Euro sind weder wirksam noch abschreckend und widersprechen damit Artikel 1 der EU-Richtlinie zur Änderung von Artikel 25a der Amtshilferichtlinie. Um eine abschreckende Wirkung auch gegenüber den großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften zu entfalten, muss die maximale Sanktion eher bei 1 Million Euro liegen, wobei natürlich das Verhältnismäßigkeitsprinzip je nach Steuergestaltung zu wahren ist. Es ist auch keine hinreichende Begründung bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie darauf zu verweisen, dass Sanktionen nach nationalem Recht bei verwandten Rechtsverstößen ebenfalls vergleichsweise niedrig ausfallen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ziele der Abschreckung, Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit der EU-Richtlinie tatsächlich und gemeinsam erreicht werden.
  2. In Ihrem Referentenentwurf wird der Spielraum der EU-Richtlinie zur Befreiung von Steuerberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Notaren maximal ausgenutzt. Es ist bedauerlich, dass die Meldepflicht nicht in jedem Falle bei den Intermediären verbleibt. Die Last der Meldepflicht wird damit den Steuerpflichtigen übertragen. Zudem wird die Meldepflicht ironischerweise selbst zu einem Geschäftsmodell für Steuerberater, wie anliegende Präsentation von EY zeigt, die offensichtlich bereits mit Ihrem Referentenentwurf und dessen erwarteter Umsetzung mit maßgeschneiderten Lösungen Geld verdienen.
  3. Schränken Sie die Meldepflicht von nationalen Gestaltungen ein, wenn Sie in jedem Falle die Erlangung eines steuerlichen Vorteils als Hauptvorteil oder als einen der Hauptvorteile verpflichtend machen. Damit wird die Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen weniger wirksam. Wie das Beispiel der Cum-Ex-Geschäfte oder auch der Share-Deals gezeigt hat, können auch nationale Gestaltungen großen Schaden anrichten.

Daher bitte ich Sie Ihren Referentenentwurf zumindest in diesen Punkten nachzubessern, damit ein europäischer Erfolg auch zu einem vollumfänglichen Erfolg in Deutschland und für unsere Partnerländer wird.

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Sven Giegold, MdEP

 

 

Präsentation von Ernst & Young zum Referentenentwurf der verpflichtenden Offenlegung

von Steuergestaltungen in Deutschland:

EY Präsentation Offenlegung von Steuergestaltungen

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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