Sven Giegold

Unser Plan: Energiewende 2.0 – Nutzen statt Abwürgen!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

es gibt Neues aus dem Bundesvorstand der Grünen: Wir haben einen Leitantrag zur Energiewende für unseren kommenden Parteitag Ende November beschlossen. Der Antrag ist nichts weniger als ein umfassender Plan, wie wir die nächste Phase der Energiewende auf den Weg bringen können. Den Antrag habe ich in den letzten Wochen mit meinem Büro und mehreren Energieexpert*innen zusammen erarbeitet und wurde nun vom Bundesvorstand für den Parteitag Ende November in Hannover beschlossen. Wir wollen jetzt den Turbo der Energiewende zünden. Dazu haben wir neue Vorschläge vorgelegt, wie wir schneller und günstiger mehr erneuerbare Energie nutzen können. Gleichzeitig ersetzen wir damit teuer importierte, klimaschädlich fossile Energien, die uns von Autokraten abhängig halten.

Bitte lest Euch den Antrag durch und kommt gerne zu meinem Webinar, um unseren Grünen Plan für eine Energiewende 2.0 genauer kennenzulernen.

ZEIT: Mittwoch, den 22.10.2025, um 19.00 – 20.30 Uhr

Anmeldung: https://gruene-de.zoom-x.de/webinar/register/WN_jbG3PC2kRUeJ90jirlnf6Q

Denn die gute Nachricht ist: Die Energiewende ist voll in Fahrt. Allein im Jahr 2024 wurden in Deutschland rund 20 Gigawatt neue Leistung an Wind und Solar installiert – ein Plus von 12 % gegenüber dem Vorjahr. Die Solarenergie legte mit 16,2 Gigawatt Zubau erneut ein Rekordjahr hin, davon zwei Drittel auf Hausdächern und Gebäuden. Die Windenergie an Land erhielt Genehmigungen für knapp 15 Gigawatt, was sich in den kommenden Jahren deutlich im Zubau niederschlagen wird. Insgesamt stieg die installierte Leistung Erneuerbarer auf 190 Gigawatt, und sie deckten fast 60 % der Stromerzeugung. Was mich besonders freut: Nachdem wir mit dem grün-geführten BMWK die Regeln deutlich vereinfacht haben, ist auch die Zahl der Balkonkraftwerke explodiert: Alleine 2024 wurden 435.000 steckerfertige Solaranlagen registriert.

Doch während Solar, Wind und Speicher endlich boomen, plant Wirtschaftsministerin Katherina Reiche ein Bremsmanöver: Sie rechnet den Strombedarf klein, verunsichert Investor*innen und gefährdet die Versorgungssicherheit. Um den Zubau der Erneuerbaren zu bremsen, projektiert sie mit dem Scheitern der eigenen Industriepolitik und industriellem Nullwachstum. Wir sagen: Die Zukunft unserer Wirtschaft ist elektrisch, erneuerbar und dezentral – und sie beginnt jetzt. Erst 23% unseres Gesamtenergiebedarfs sind erneuerbar, 77% sind immer noch fossil. In der Umstellung auf die Erneuerbaren liegen enorme ökonomische Chancen für zukunftsfähige Jobs, gerade in den ländlichen Räumen aber auch für unsere Industrie.

Unsere Maßnahmen im Überblick:

I. Mehr Erneuerbare, weniger Gas, mehr Zukunft

Unsere Zukunft ist elektrisch: Solar- und Windenergie liefern Strom, den wir wo immer möglich direkt nutzen wollen und wo immer nötig in Moleküle wie Wasserstoff verwandeln. Zudem brauchen KI, Elektromobilität, Wärmepumpe und Co mehr günstigen, sauberen Strom. Dafür brauchen wir mehr Erneuerbare.

Unser bisheriger Erfolg bringt auch neue Herausforderungen. Die Energiewende ist kein Selbstläufer, sondern ein Systemwechsel – weg von zentralen, fossilen Strukturen hin zu einem dezentralen, erneuerbaren Energiesystem. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren ist Strom zunehmend im Überfluss vorhanden, aber nicht immer dort und nicht immer dann, wenn er gebraucht wird. Etliche Netze sind überlastet, die Bürokratie bremst. Für Haushalte und Unternehmen wollen wir die Energiewende einfacher machen. Und obwohl Solar, Wind und Speicher immer günstiger werden, kommen die Kostenvorteile der Erneuerbaren noch zu selten bei den Menschen und Unternehmen an.

Deshalb gilt: Die Energiewende muss günstiger werden. Die Transformation zu 100% Erneuerbaren erfordert hohe Investitionen, gerade deshalb achten wir auf die Kosten. Durch eine konsequente weitere Elektrifizierung sinken die Kosten pro Kilowattstunde.

Für uns ist klar: Wer unseren künftigen Strombedarf kleinrechnet oder den Ausbau der Erneuerbaren verzögert, gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und die Versorgungssicherheit und sorgt für die hohen Strompreise von morgen. Deutschland hat 2022 bitter gelernt, was fossile Abhängigkeit bedeutet – das darf sich nicht wiederholen. Deswegen fordern wir:

Die Bürgerenergie bleibt der wichtigste Grundpfeiler einer gesunden Energieversorgung. Deshalb wollen wir insbesondere die private Solarenergie stärken. Aufdach-Photovoltaik (PV) ist nah an den Menschen, nah am Verbrauch und nutzt bestehende bebaute Flächen. Wer selbst Strom erzeugen will, darf nicht durch überteuerte Anschlüsse, absurd teure Zählerschränke und überdimensionierte Technik gebremst werden – und sollte einen Anreiz haben, jedes Dach voll zu machen. Bis endlich alle fair und unkompliziert am Strommarkt teilnehmen, entwickeln wir die Einspeisevergütung fort. Die Vergütungssätze werden moderat an die gesunkenen Kosten angepasst und gleichzeitig wird sichergestellt, dass Solarprojekte in Bürgerhand in allen Regionen wirtschaftlich bleiben.
Onshore- und Offshore-Wind wollen wir weiter ausbauen, Pachtkosten begrenzen und Planungssicherheit schaffen. Onshore-Wind boomt endlich wieder. Der Zielkorridor darf nicht wieder unter das bereits Erreichte zurückfallen. Dabei setzten wir weiter auf Wettbewerb. Das Referenzertragsmodell wollen wir reformieren, damit Investitionen überall im Land ermöglicht und gleichzeitig die Gesamterträge maximiert werden. Möglichkeiten für Pachtobergrenzen im EEG und eine Duldungspflicht für Anschlussleitungen sorgen dafür, dass staatlich garantierte Erlöse nicht in übermäßige private Profite fließen. Offshore-Wind wird günstiger, wenn Flächen effizient geplant, die Windräder sich nicht gegenseitig den Wind nehmen und Netzanschlüsse optimal ausgelastet werden. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass diejenigen, die einen Zuschlag erhalten haben, auch bauen – oder ihn zurückgeben. Für mehr Flächen braucht es mehr innereuropäische Kooperation, zum Beispiel Energieinseln gemeinsam mit Dänemark.
Knappe und kostbare Biomasse wollen wir in Zukunft konsequent systemdienlich flexibel einsetzen und so den Zubaubedarf teurerer steuerbarer Großkraftwerke reduzieren. Wir geben der Landwirtschaft Planungssicherheit: Biomasse sollte möglichst Reststoffe nutzen, Anbau wie Betrieb müssen tatsächlich klimafreundlich und gleichzeitig die Investitionen planbar sein.
Damit all das gelingt, braucht es ein europarechtskonformes EEG über 2026 hinaus. Für große PV-Anlagen und Windenergie setzen wir auf Differenzverträge, die stabile Erlöse für Investoren aber keine Übergewinne auf Kosten der Allgemeinheit garantieren. Der Rechtsanspruch auf Anschluss und Einspeisung muss gesichert bleiben, mit Vorrang für Erneuerbare. Differenz- und Direktabnahmeverträge schaffen Planungssicherheit für große Wind- und Solaranlagen. Wir wollen, dass die Kommunen in allen Bundesländern rechtssicher an der erneuerbaren Wertschöpfung auf ihrem Gebiet teilhaben und damit auch Kitas, Schwimmbäder und ÖPNV sichern. Dazu brauchen wir in allen Bundesländern Beteiligungsgesetze. Zudem sollten auch bei Direktvermarktung außerhalb des EEG 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Kommunen fließen.

Für uns ist klar: Naturschutz und Erneuerbare gehören und gehen zusammen. Daher brauchen neue Erneuerbaren-Anlagen stärkere naturschutzfachliche Regeln. Die freiwilligen weitergehenden ökologischen Standards vieler PV-Freiflächenanlagenbetreiber wollen wir verbindlicher machen. Sobald technisch ausgereift, wollen wir Windanlagen automatisiert herunterregeln, wenn sensible Vogelarten sich nähern. Für Naturschutzprojekte und die Verwendung der Ausgleichsgelder brauchen wir einen Entbürokratisierungsturbo für den Naturschutz.

II. Netze und Speicher: Digital, flexibel und europäisch

Grüner Strom ist heute schon an vielen Tagen reichlich vorhanden. Das ist kein Fehler, sondern ein Erfolg – und ein Auftrag: Jetzt kommt es darauf an, mit heimischem grünem Strom möglichst viel teuer importierte Kohle, Öl und Gas zu ersetzen: in Gebäuden, im Verkehr, in der Industrie. Deswegen sind Innovation, Digitalisierung und Flexibilität der Schlüssel für die nächste Etappe der Energiewende.

Die Selbstwirksamkeit jedes Haushalts müssen wir nutzen und anreizen, nicht verbieten. Alle gemeinsam müssen das System stützen. Voraussetzung dafür ist die Digitalisierung des Energiesystems.

Die Verteilnetze sind der Schlüssel für eine kosteneffektive Energiewende und im Augenblick ihr größtes Nadelöhr. Deshalb stärken wir sie mit einer digitalen Standardisierungsoffensive: Prozesse, Schnittstellen und Hardware sind binnen drei Jahren zu vereinheitlichen; Smart Meter müssen bis 2030 flächendeckend verfügbar sein. Dabei setzen wir auf Wettbewerb und Transparenz. Doppelstrukturen und Bürokratie wollen wir abbauen, ein Bund-Länder-Fonds mit staatlichen Garantien soll die nötige Modernisierung finanzieren.
Systemdienliche Flexibilität senkt Kosten für alle – durch lokale Nutzung, Verschiebung und Speicherung von Energie via Batterien, Wärmepumpen, E-Autos und intelligenter Steuerung. Bidirektionales Laden ermöglicht die Pufferung von Erzeugungsspitzen und deren gezielte Rückgabe ins Netz. Wärmespeicher können Sonnen- und Windspitzen günstig aufnehmen. Dafür braucht es einfache, faire Tarife statt überdimensionierter Anschlüsse. Die Regeln des Strommarktes müssen die Flexibilitäten privater und gewerblicher Nachfrage fördern, statt sie zu bremsen. Flexibilität spart Milliarden, halbiert im besten Fall den Strompreis für flexible Verbraucher und reduziert den Netzausbau bis um die Hälfte.
Insbesondere sind Batteriespeicher ein zentraler Pfeiler der neuen Energiewelt – 300 GW Netzanschlussbegehren zeigen: Die Technologie steht bereit. Damit Heimspeicher systemdienlich und wirtschaftlich attraktiv genutzt werden können, unterstützen wir die Bundestagspetition zur regulatorischen Vereinfachung netzdienlicher Batteriespeicher. Netzentgelte müssen dafür sorgen, dass Speicher genau dann einspeisen, wenn Strom gebraucht wird – und lokale Lastspitzen intelligent puffern. Veraltete Vorschriften verhindern bislang, dass Speicher im Notfall das Netz stützen. Großspeicheranschlüsse sollen künftig wettbewerblich statt nach Windhundprinzip vergeben werden – für sinkende Netzentgelte und mehr Transparenz.
Regionale Preissignale sowie räumlich und zeitlich differenzierte Netzentgelte sind der Schlüssel für eine schnellere und einfachere Marktintegration von erneuerbaren Energien und den effektiven Einsatz von Speichern. Kurzfristig wollen wir mindestens Viertelstundenscharfe Abrechnungsfenster sowie stark vereinfachte Prozesse zur Direktvermarktung.

Die bereits mit der EU geeinten 5 GW Gas-Sprinterkraftwerke sollten schnell erreichtet werden, um die Energiewende abzusichern. Darüber hinaus fordern wir einen kosteneffizienten, technologieoffenen, Kapazitätsmarkt aufbauend auf dezentraler Erzeugung und Speicher der Versorgungssicherheit garantiert und Nachfrageflexibilität hebt – statt bis zu 250 Milliarden in den überdimensionierten Turbozubau neuer Gaskraftwerke zu stecken, die den Strompreis um bis zu zwei Cent pro Kilowattstunde zu verteuern könnten.

III. Energie von allen, für alle

Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Damit sie gelingt, muss das Teilen von Energie möglich und attraktiv sein. Deshalb fordern wir: Energy Sharing gesetzlich verankern, Mieterstrom und Genossenschaften stärken, ein Recht auf Solar und faire Netzentgelte für lokale Nutzung sichern – sowie Vorinvestitionsrechte für Bürgerenergie und kommunale Kooperationen schaffen.

IV. Grüne Energie für eine zukunftsfeste Industrie

Auch unsere Industrie braucht Planungssicherheit, bezahlbare Energie und klare Perspektiven für den Wandel. Denn wir stehen im Wettbewerb der Systeme – „Petrostaaten“, die reichlich eigene fossil gespeicherte Sonnenenergie haben, gegen „Elektrostaaten“, die mit Innovation die Kraft von Sonne und Wind direkt nutzen und wo nötig in energiereiche Moleküle wandeln. Unsere Antwort auf die fundamentale Transformation der Weltwirtschaft ist der European Green Deal.

Deshalb setzen wir uns für einen Industriestrompreis, eine niedrigere Stromsteuer für alle und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Katherina Reiches weit überzogenen Plan zum Bau fossiler Gaskraftwerke gefährdet das neue Wasserstoff-Netz und schadet daher der Zukunftsindustrie in Deutschland. Klimaschutzverträge wollen wir auch dem Mittelstand zugänglich machen. Damit Unternehmen ihre eigene Energie effizient nutzen können, wollen wir bis 20 km Direktleitungen für die Eigenversorgung ermöglichen. Und: Energieintensive Betriebe brauchen echte Flexibilitätsanreize – damit sie Strom dann verbrauchen, wenn er günstig und verfügbar ist. So wird Klimaschutz zum Standortvorteil.

Für uns ist klar: Jetzt zählt: Klarheit, Tempo und Verlässlichkeit. Wer die Energiewende abwürgt, gefährdet Klima, Wohlstand und Zusammenhalt. Wer sie beschleunigt, schafft Chancen für alle.

Wie geht es jetzt weiter?

Ab jetzt haben Mitglieder und Gruppen der Partei die Möglichkeit, Änderungsanträge zu stellen, über die dann verhandelt und im Zweifel abgestimmt wird. Der Antrag in veränderter Form wird dann von Delegierten am 29. November beim grünen Parteitag in Hannover beschlossen.

Hier könnt Ihr den ganzen Antrag nachlesen und die Änderungsanträge: https://antraege.gruene.de/51bdk/energiewende-2-0-nutzen-statt-abwurgen-29290

Ich freue mich auf alle konkreten(!) und substantiellen Rückmeldungen zu unserem Plan.

Mit grünen europäischen Grüßen

Euer EuropaSven