Sven Giegold

Welt: Bremst der Koalitionsvertrag die Transaktionssteuer aus?

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Die Welt, 7.1.2014

Bremst der Koalitionsvertrag die Transaktionssteuer aus?

Ministerpräsident Bouffier hält die im Bund verabredete Abgabe für nicht praktikabel. SPD wettert gegen „rücksichtslosen Finanzplatzlobbyismus“

Martin Greive. Ursprünglich sollte sie bereits seit dem 1. Januar in Kraft sein. Doch die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer (FTS) verzögert sich. Banken und Verbände haben erfolgreich gegen die Steuer lobbyiert – nun feilen Experten an Ausnahmeregelungen für die Finanzhäuser.

Doch laut Volker Bouffier (CDU) können sich die Brüsseler Beamten die Arbeit sparen. Hessens Ministerpräsident hält die Steuer insgesamt für nicht praktikabel, sagte er in der „Welt am Sonntag“. Beim Koalitionspartner der CDU/CSU im Bund, der SPD, löst das große Verwunderung aus. Denn Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag gerade erst für eine rasche Einführung der Steuer ausgesprochen. Scharfe Kritik kommt von der Opposition.

Mit der Finanztransaktionssteuer will die Politik Banken an den Kosten der Finanzkrise beteiligen. Die Steuer wird von elf EU-Ländern unterstützt, darunter auch Deutschland. Der Besteuerungssatz auf Finanzgeschäfte fällt mit 0,1 Prozent zwar sehr gering aus, würde aber aufgrund der enormen Dimensionen der Finanztransaktionen viele Milliarden Euro in die Kassen der EU-Staaten spülen. Auch will die Politik durch die Steuer übermäßige Spekulationen an den Finanzmärkten eindämmen, die zu Börsencrashs führen können.

Ob das gelingt, ist unter Experten allerdings umstritten. Auch könnten die Banken die Mehrbelastung einfach auf ihre Kunden überwälzen, so die Sorge mancher, oder ihre Geschäfte einfach außerhalb Europas abwickeln. Bouffier schließt sich diesen Sorgen an. „In der großen Koalition haben wir vereinbart, dass die Finanztransaktionssteuer nur eingeführt werden könnte, wenn sie nicht die Realwirtschaft schädigt, wenn sie keine Wettbewerbsnachteile für den Standort Deutschland bringt und wenn sie in Europa einheitlich eingeführt wird“, sagte der hessische Ministerpräsident. „Ich sehe nicht, wie in absehbarer Zeit die Steuer so gestaltet werden kann, dass diese drei Bedingungen erfüllt werden können.“

Die Aussagen haben Brisanz. Denn während Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen in nahezu allen Finanzfragen über Kreuz lagen, einigten sie sich bei der FTS schnell – und zwar auf ihre rasche Einführung. „Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz zügig umsetzen und zwar im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit in der EU“, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag wörtlich.

Die Sozialdemokraten reagieren verärgert auf Bouffiers Vorstoß. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte der „Welt“: „Die hessische Landesregierung hat schon bisher eine gerechte Finanzpolitik verhindert. Nun soll wohl die angemessene Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Krise blockiert werden. Es wird interessant sein zu sehen, ob Herr Bouffier für diesen rücksichtslosen Finanzplatzlobbyismus die Unterstützung der Bundeskanzlerin und des Finanzministers erhält.“ Bouffier bezieht sich auf zwei Sätze am Ende der Passage zur Steuer im Koalitionsvertrag. „Durch die Ausgestaltung der Steuer wollen wir Ausweichreaktionen vermeiden“, heißt es da. „Dabei gilt es, die Auswirkungen der Steuer auf Instrumente der Altersversorgung, auf die Kleinanleger sowie die Realwirtschaft zu bewerten und negative Folgen zu vermeiden sowie zugleich unerwünschte Formen von Finanzgeschäften zurückzudrängen.“

Frankfurt am Main ist der wichtigste Finanzplatz Deutschlands sowie der Sitz aller großen Banken. Die Finanzhäuser haben immer wieder damit gedroht, nach Einführung einer Steuer ihre Geschäfte über andere internationale Standorte abzuwickeln. Hessens Ministerpräsident Bouffier hat deshalb ein großes Interesse daran, die Steuer zu verhindern, da sie dem Finanzplatz Frankfurt schaden könnte – und damit seinem Bundesland.

Grüne und Linke, die seit Langem für die Besteuerung von Finanztransaktionen eintreten, kritisieren Bouffier scharf. „Vor Freude über all die grünen Projekte im hessischen Koalitionsvertrag hat Bouffier den Text des Vertrags der Großen Koalition nicht so genau gelesen“, sagte Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europaparlament, der „Welt“. „Die Unterstützung für die Finanztransaktionssteuer ist im Koalitionsvertrag nicht an Bedingungen geknüpft.“ Vielmehr wolle die Koalition eine breite Steuerbasis bei Minimierung von möglichen schädlichen Nebenwirkungen, erklärte Giegold.

„Die Bundesregierung greift sogar die Position des Europaparlaments auf und will entgegen der EU-Kommission auch Devisentransaktionen besteuern“, sagte Giegold. So heiße es im Koalitionsvertrag: „Eine solche Besteuerung sollte möglichst alle Finanzinstrumente umfassen, insbesondere Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Devisentransaktionen sowie Derivatekontrakte.“

Der Linke-Finanzpolitiker Richard Pitterle wertete die Aussagen Bouffiers als “ schallende Ohrfeige sowohl für den grünen Koalitionspartner in Hessen als auch für die mitregierenden Sozialdemokraten in Bund“. Für Bouffier seien „die Koalitionsvereinbarungen das Papier nicht wert, auf dem sie stehen“, meinte Pitterle. Beide Koalitionsvereinbarungen, sowohl die in Hessen wie die im Bund enthielten beispielsweise nicht die Bedingung, dass die Steuer in ganz Europa eingeführt werden müsse, wie Bouffier suggeriere.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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