Sven Giegold

Wirtschaftsprüfer im Fall Wirecard: Fatale Anreizstrukturen müssen reformiert werden

Recherchen des Handelsblatts zeigen, dass die Wirtschaftsprüfer von EY schon Anfang 2019 nicht mehr “an die Unschuld des Managements” von Wirecard glaubten. Zuvor war der Prüfungsgesellschaft belastendes Material von einem Whistleblower zugespielt worden. Auch der Aufsichtsrat wusste von den Bedenken der Prüfer. Doch EY knickte ein: Nur Wochen später testierten die Prüfer den Jahresabschluss für 2018 uneingeschränkt. Kritische Formulierungen wurden dabei auf Drängen Wirecards zusätzlich abgeschwächt. Zwar hatten die Wirtschaftsprüfer im Hintergrund auf eine deutliche Stärkung der inneren Kontrollsysteme bei Wirecard gepocht. Doch für die Öffentlichkeit blieb der strahlende Ruf des Unternehmens bestehen.

Bereits im Juni 2020 habe ich zusammen mit meinem liberalen Kollegen Luis Garicano gefordert, die richtigen Lehren aus dem Wirecard-Debakel zu ziehen. Unser gemeinsamer Aufruf kann hier nachgelesen werden.

 

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Die Recherchen des Handelsblatts zeigen erneut deutlich, warum das aktuelle System der Wirtschaftsprüfung immer wieder zu Skandalen führt. EY hatte schon Anfang 2019 ernstzunehmende Zweifel an Wirecard und trotzdem den Abschluss für 2018 uneingeschränkt testiert. Kritische Formulierungen der Prüfer wurden dabei auf Drängen Wirecards wegredigiert. Dass Unternehmen ihre eigenen Prüfer bezahlen, ist ein fundamentaler Systemfehler. Damit wird laxes Prüfen wirtschaftlich belohnt. Wer allzu kritisch nachfragt, droht, Mandate zu verlieren. Betrügerische Unternehmen sitzen so am längeren Hebel. Diese Machtverhältnisse müssen wir auf den Kopf stellen.

Kritische Wirtschaftsprüfung muss sich wieder lohnen. Dazu müssen wir die fatalen Anreizstrukturen reparieren. Die Prüfer sollten nicht von den Firmen selbst, sondern von einer dem Gemeinwohl verpflichteten Stelle bestellt werden. Außerdem muss das parallele Beratungsgeschäft der Wirtschaftsprüfer ein Ende haben. Damit packt man das Problem bei der Wurzel. Hier muss die EU ansetzen und die Abschlussprüferverordnung reformieren. Momentan werden vor allem eine erhöhte Rotation bei den Prüfunternehmen und höhere Haftungsgrenzen diskutiert. Das alleine wird nicht reichen, solange die fundamentalen Anreizprobleme nicht gelöst sind.”

 

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Berichterstattung des Handelsblatts:
https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/neue-dokumente-fruehe-zweifel-an-wirecard-ey-glaubt-nicht-an-die-unschuld-des-managements/26906070.html?share=twitter

Gemeinsamer Aufruf von Luis Garicano und mir zur Reform der Wirtschaftsprüfung:
https://sven-giegold.de/liberale-und-gruene-fordern-wp-reform/

 

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