Sven Giegold

CRR/CRD-Überarbeitung: Minimallösung der Kommission ist unzureichend

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Heute hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge für Änderungen an der aktuellen EU-Gesetzgebung für Banken (CRR, CRD, BRRD, SRMR) vorgestellt. Die Überarbeitung soll die auf internationaler Ebene vereinbarten Basel-Regeln umsetzen, bestehende EU-Gesetze klarstellen und das Proportionalitätsprinzip stärker verankern. Die Vorschläge der Kommission werden nun vom Europäischen Parlament und vom Rat diskutiert, bevor diese beiden Mitgesetzgeber sich auf einen Kompromiss einigen müssen.

Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert:

“Die von der Kommission vorgeschlagene Minimallösung ist unzureichend. Das Finanzsystem ist weiterhin übermäßig komplex und einige systemrelevante Banken sind noch immer unterkapitalisiert. Wir begrüßen die Offenlegung der SREP-Zuschläge, eine Verschuldungsquote von mindestens 3% und die Begrenzung von Interbankenkrediten bei systemrelevanten Instituten.

Versuche, den Handlungsspielraum von Bankenaufsehern einzuschränken und makroprudenzielle Risiken aus der Betrachtung herauszulassen, bedrohen die Finanzstabilität und riskieren europäische Steuergelder. Die Einführung einer nicht bindenden ‘capital guidance’ bedeutet de facto die Absenkung der Säule-2-Anforderungen und ist ein milliardenschweres Geschenk an Großbanken. Indem sie die Ausschüttung auf AT1-Instrumente erlaubt, selbst wenn die regulatorischen Kapitalanforderungen nicht erfüllt sind, untergräbt die Kommission für die Bankenbranche das Haftungsprinzip der Marktwirtschaft. Die neuen Regeln stutzen auch die Flügel der Abwicklungsbehörden wie Elke Königs SRB. Jede Beschränkung der Abwicklungsbehörden ist gefährlich, zumal der neue TLAC-Standard schwächer ist als die geltende EU-Gesetzgebung unter MREL.

Um die Probleme des too-big-to-fail und des too-interconnected-to-fail anzugehen, braucht Europa dringend weitergehende Reformen. Es ist inakzeptabel, dass die Kommission dem Druck der Finanzlobby nachgegeben hat und von Basel-Regeln abweicht, indem die Behandlung von Derivaten bei der Leverage Ratio und der NSFR abgeschwächt wird.

Zudem müssen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Risikoprofile der europäischen Banken angepasst werden. Wir brauchen eine echte ‘small banking box’, um den Verwaltungsaufwand gerade für kleine und risikoarme Banken zu verringern. Die Harmonisierung der europäischen und nationalen Meldeanforderungen würde einen europäischen Mehrwert darstellen. In den anstehenden Verhandlungen mit dem Rat werden wir für spürbare Vereinfachungen für kleine Banken kämpfen, aber auf strenge Regeln für systemrelevante Institute pochen.”

Hintergrund:
Die detaillierten Kommissionsvorschläge werden erst im Laufe der Woche veröffentlicht, aber die wichtigsten Änderungen sind schon vorab bekannt geworden. In Übereinstimmung mit Basel schlägt die Kommission eine verbindliche Verschuldungsquote (Leverage Ratio, LR) von mindestens 3% für alle Banken in der EU und eine Verlustabsorptionskapazität (TLAC) von 6,75% für systemrelevante Institute vor. Kurz gesagt, bedeutet die Einführung von TLAC für die größten Banken eine Absenkung der aktuellen europäischen Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten von 8%. Abweichend von Basel sollen Geschäfte mit Derivaten bei der Verschuldungsquote und der NSFR weniger streng behandelt werden. Die Vorschläge der Kommission sehen vor, Interbankenkredite zwischen systemrelevanten Instituten auf 15% der Eigenmittel zu begrenzen. Die institutsspezifischen Kapitalaufschläge (SREP) sollen zukünftig zwar offengelegt werden, aber die Bankenaufseher dürfen nicht mehr makroprudenzielle Risiken in ihre Berechnungen einfließen lassen. Die Anforderung aus der Säule 2 wird aufgespalten in ein hartes ‘capital requirement’ und eine weiche ‘capital guidance’, deren Nichteinhaltung nicht automatisch zu Ausschüttungsbeschränkungen führt. Der Ermessensspielraum zum Setzen bankspezifischer zusätzlicher Kapitalanforderungen wird beschnitten sowohl für Bankenaufseher, die SREP-Zuschläge definieren als auch für Abwicklungsbehörden, die mehr als das TLAC Minimum erheben. Kleine Banken sollen von einer geringeren Frequenz im Meldewesen und von reduzierten Anforderungen bei der Veröffentlichung unter Säule 3 profitieren.

Bereits an die Öffentlichkeit gelangte Gesetzentwürfe der EU-Kommission:
Link CRR: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/CRR-Amendments.pdf
Link CRD: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/CRD-Amendments.pdf
Link BRRD: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/11/BRRD_ISC.pdf

Die endgültigen Fassungen der Gesetzentwürfe werden voraussichtlich diese Woche hier eingestellt:
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-3731_de.htm

Rubrik: Unkategorisiert, Wirtschaft & Währung

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