Beim Treffen der Minister*innen für Wirtschafts-, Industrie- und Forschungspolitik (COMPET) heute Nachmittag (Donnerstag, 25.02.) wurde eine wegweisende Entscheidung im Kampf gegen Steuervermeidung getroffen. Mit einer qualifizierten Mehrheit hat das COMPET einen Vorschlag für öffentliches Country-by-Country Reporting angenommen, trotz fortgesetzter Blockadehaltung der deutschen Bundesregierung. Der Vorschlag der portugiesischen Ratspräsidentschaft sieht vor, dass Großunternehmen in der EU verpflichtet werden, über ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Land öffentlich Bericht zu erstatten. Mit dieser Transparenz pro Geschäftsland wird das Verschieben von Gewinnen in Steueroasen massiv erschwert. Das Europaparlament hatte bereits 2017 seine Verhandlungsposition zur länderbezogenen Steuerberichterstattung festgelegt, vier Jahre später macht der Rat nun endlich den Weg frei für die abschließenden Verhandlungen im sogenannten “Trilog”-Verfahren. Schon Ende 2019 versuchte die finnische Präsidentschaft einen fast identischen Text durch den Rat zu bringen. Die portugiesische Präsidentschaft schaffte den Durchbruch, weil Slowenien und Österreich diesmal zustimmten.
Mit seiner Entscheidung bleibt der Rat allerdings hinter der Parlamentsposition zurück, indem er auf einer großzügigen Geheimhaltungsklausel besteht und die länderbezogene Steuerberichterstattung auf europäische Mitgliedstaaten sowie Länder auf der EU-Liste der Steueroasen begrenzt.
Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“Das ist der Durchbruch für faire Unternehmensbesteuerung überall in Europa. Länderbezogene Steuertransparenz ist eine minimale Anforderung an Unternehmen mit maximaler Wirkung für das Gemeinwohl. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, sind Steuertricks kaum noch möglich. Das ist eine Barriere gegen Steuervermeidung. Nach jahrzehntelanger politischer Kontroverse wurde nun dieser Fortschritt gegen Steuertricks erreicht. Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für mehr Steuergerechtigkeit. Die Enthaltung der Bundesregierung grenzt an Masochismus, da kein EU-Land mehr Geld durch Steuervermeidung verliert als Deutschland. Deutschland geht 26 Prozent seiner rechtmäßigen Unternehmenssteuereinnahmen aufgrund von Steuervermeidung durch die Lappen. Es ist unerträglich, dass sich Wirtschaftsminister Altmaier den Lobbyinteressen der Großunternehmen mehr verpflichtet fühlt als den Interessen der Steuerzahler. Die CDU stellt sich gegen fairen Wettbewerb zwischen dem Mittelstand und Großunternehmen. Während Amazons Gewinne in der Pandemie unversteuert durch die Decke gehen, stirbt vor Ort der Einzelhandel. Gerechte Besteuerung ist unabdingbar in einer sozialen Marktwirtschaft. Großunternehmen müssen sich an der Finanzierung der Corona-Wirtschaftshilfen und den dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen beteiligen. Diese Entscheidung stellt endlich klar: Großunternehmen stehen nicht über dem Steuergesetz.Auch wenn CDU und CSU hier die Hauptverantwortung tragen: Es ist enttäuschend, dass die SPD hier nicht härter gekämpft hat.
Die Ratsentscheidung ist für mich von großer persönlicher Bedeutung. Seit zehn Jahren arbeite ich im Europäischen Parlament für verbindliche Steuertransparenz von Großunternehmen. Auf Drängen der Grünen haben wir bereits Steuertransparenz für Banken durchgesetzt, nun sind endlich alle Großkonzerne dran. Mir geht es im Kern um die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie. Eine starke Demokratie muss in der Lage sein, Steuertricks von Großunternehmen entschieden entgegenzutreten. Nach Jahren des Verzögerns und Blockierens haben sich die Regierungen nun endlich auf ein scharfes Schwert im Kampf gegen Steuervermeidung geeinigt. Das ist der Durchbruch für mehr Steuergerechtigkeit und ein strahlender Lichtblick für alle, denen die wachsende Schere zwischen Arm und Reich große Sorgen macht.
Hintergrund
Deutschlands Blockade wurde heute überstimmt. Blockieren wollten auch durch Nein oder Enthaltung: Irland, Luxemburg, Malta, Schweden, Tschechien, Ungarn, Zypern.
Dafür: Finnland, Griechenland, Dänemark, Estland, Österreich, Rumänien, Polen, Niederlande, Italien, Slowenien, Spanien, Frankreich, Bulgarien, Belgien, Estland
Vergangene Beiträge für mehr Steuergerechtigkeit:
März 2017: “Die G20 und die internationale Steuerpolitik: Schäubles Bande”
https://sven-giegold.de/die-g20-und-die-internationale-steuerpolitik-schaeubles-bande/
November 2019: “Bittere Niederlage für Steuergerechtigkeit: Deutschland verhindert im EU-Ministerrat Mehrheit für Steuertransparenz von Großunternehmen”
https://sven-giegold.de/bittere-niederlage-fuer-steuergerechtigkeit/
November 2020: “Chance vertan: Enttäuschende Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft in Sachen Steuergerechtigkeit”
https://sven-giegold.de/chance-vertan-steuergerechtigkeit/
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P.S. Petition: Digitalsteuer Jetzt! – Geschäfte schließen, Amazon & Co machen Riesengewinne, zahlen aber kaum Steuern: Die Digitalsteuer muss jetzt kommen! Gemeinsam haben wir die Chance, die Blockade bei der Digitalsteuer endlich zu überwinden: Bitte unterschreibt unsere Petition und teilt sie mit Euren Kontakten! https://www.change.org/digitalsteuer-jetzt