Sven Giegold

Frankfurter Rundschau: Handeln statt ärgern – Wer ein besseres Europa will, muss sich engagieren

Frankfurter Rundschau 20 August 2015: Von Sven Giegold:

 

Haben Sie sich auch schon oft gefragt, warum Viele vom sozialen Europa reden und so wenig davon zu sehen ist? Schon heute ermöglichen die europäischen Verträge, europaweit soziale Rechte zu verankern. In den zentralen Bereichen wie Rente, Gesundheit, Mindesteinkommen ist jedoch nichts geschehen. Die Mitgliedsländer haben das Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft nach einem Ordnungsrahmen im Binnenmarkt nicht erfüllt.

In der EU konkurrieren die Mitgliedsländer in einem absurden Dumpingwettbewerb um möglichst günstige Produktionsbedingungen. Während Europa im Kampf gegen Diskriminierung und Verbrauchernepp, oder für Umweltschutz enormes erreicht hat, sieht es bei sozialer Sicherheit und Verteilungsgerechtigkeit finster aus. Im Zuge der Schuldenkrise kam ein europäisch organisierter Sozialabbau in Griechenland, Portugal und Irland hinzu. Immer mehr Aktive aus Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen fragen sich, ob das noch ihr Europa ist.

In unseren Partnerländern kommt das leider berechtigte Gefühl hinzu, dass Deutschland zunehmend Ton und Inhalt der europäischen Politik diktiert. Seit Merkel und Schäuble sehen sich unsere europäischen Nachbarn mit deutscher Besserwisserei und Machtpolitik konfrontiert.

Trotz alledem ist die Rückkehr zum Nationalstaat eine falsche Versuchung für soziale Politik. Die einzelnen EU-Länder wären in der Globalisierung noch brutalerem Standortwettbewerb ausgesetzt. Der Nationalstaat wird auf Dauer im kleinen Europa nicht der Ort des Sozialen sein. Vielmehr müssen wir uns einsetzen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger genauso grenzüberschreitend organisieren wie die Wirtschaftslobbys. Hier liegt die Herausforderung: Europa kann schon heute effektiv gegen Steuervermeidung, Wirtschaftskriminalität, Korruption und für soziale Mindestsicherung handeln. Die Mehrheiten im Rat und im EU-Parlament wollen das jedoch nicht.

Lasst uns deshalb eine europäische Zivilgesellschaft auf die Beine stellen! Das Internet bietet hier ungenutzte Chancen: Die britische Internet-Kampagnenorganisation 38degrees.org hat sich mit dem deutschen Partner campact.de zusammengetan, um Europa zu verändern. In Kürze startet mit www.wemove.eu, eine Bürgerorganisation für eine bessere EU: sozial, ökologisch, demokratisch und global verantwortlich. Hier sollten wir mitmachen, statt uns über die neoliberale Politik in Europa nur zu ärgern!

Der Autor ist Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im EU-Parlament.

privat

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, 20 August 2015, 343 Wörter, FRARUN,16

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