Sven Giegold

Globaler Mindeststeuer droht massive Schwächung: Irland will Steuersatz auf 15 Prozent deckeln

Laut übereinstimmenden Medienberichten hat Irland in den Verhandlungen zur Mindeststeuer ein weitreichendes Zugeständnis durchsetzen können: Der Wortlaut der geplanten globalen Mindeststeuer für Unternehmen soll an einer entscheidenden Stelle abgeschwächt werden. Bisher war in den Plänen des OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS von einem effektiven Mindeststeuersatz in Höhe von “mindestens 15 Prozent” die Rede. Dieser soll für Großunternehmen mit einem konsolidierten Konzernumsatz von über 750 Mio. € gelten. Irland konnte offenbar durchsetzen, dass das Wort “mindestens” gestrichen wird. Damit würde allen Staaten die Möglichkeit genommen werden, eine höhere Mindeststeuer einzuführen. US-Präsident Biden hatte ursprünglich einen effektiven Mindeststeuersatz von 21% vorgeschlagen; die Formulierung “mindestens 15 Prozent” war bereits ein Zugeständnis an Länder mit Niedrigsteuern.

Die jahrelangen Verhandlungen sind fast abgeschlossen: Diesen Freitag, den 8. Oktober, finden die entscheidenden Verhandlungen im Rahmen des OECD/G20 Inclusive Framework statt. Am 13. bis 14. Oktober tagen die G20 Finanzminister*innen und Zentralbankpräsident*innen, um die Verhandlungen über eine effektive Mindeststeuer zu finalisieren. Die endgültigen Einigung wird Ende Oktober erwartet.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Während der Pandora Papers schwächt die EU nicht nur ihre Liste der Steueroasen, sie schwächt auch den internationalen Steuerkonsens gegen den Willen der US-Partner. Irland will aus der Mindeststeuer ein stumpfes Schwert gegen Steuerdumping machen. Eine Deckelung der Mindeststeuer auf 15 Prozent wäre ein großer Rückschlag für dieses wichtige Gerechtigkeitsprojekt. Wenn Irland sich durchsetzt, wird eine fortschrittliche globale Steuerreform zur Zementierung des Status Quo degradiert. Denn eine effektive Mindeststeuer von 15% ist nicht genug, um den desaströsen Steuerwettbewerb zwischen Staaten zu beenden. Es wäre eine massive Schwächung der globalen Mindeststeuer.

Europa darf sich nicht von der Steueroase Irland an der Nase herumführen lassen. Die Bundesregierung und die anderen EU-Mitgliedstaaten dürfen Irland bei den Verhandlungen des OECD Inclusive Framework nicht unterstützen. Das Festhalten am Einstimmigkeitsprinzip in Steuerfragen in der EU gibt Steueroasen wie Irland unverhältnismäßig viel Einfluss. Dabei können einzelne Mitgliedstaaten schon jetzt mit einer ambitionierten Mindeststeuer vorangehen und den Spieß umdrehen. Das zeigt ein von mir in Auftrag gegebenes Gutachten des renommierten Steuerprofessors Joachim Englisch.

Der irische Versuch, die globale Mindeststeuer abzuschwächen, kommt zur Unzeit. Eine Mindeststeuer von maximal 15 Prozent während des größten Steuerleaks aller Zeiten wäre eine politische und moralische Bankrotterklärung. Die Pandora Papers sind jüngster Beweis der globalen Steuervermeidungskrise. Die Steuervermeidung von Milliardären und Großunternehmen sind zwei Seiten derselben Medaille. Wir brauchen ein starkes Bekenntnis zur Steuerkooperation. Angesichts der Unverfrorenheit, mit der Milliardäre und Großunternehmen ihren Beitrag zur Allgemeinheit verweigern, brauchen wir ein entschlossenes europäisches Vorgehen.”

Das “OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS” umfasst 140 Mitgliedsländer. BEPS steht für Base erosion and profit shifting, es ist der Oberbegriff für die Strategien multinationaler Unternehmen, die Lücken und Unstimmigkeiten in den Steuervorschriften ausnutzen, um Steuern zu vermeiden. Das OECD Inclusive Framework arbeitet an der Umsetzung von 15 Maßnahmen, um die globale Steuervermeidungskrise einzudämmen. Irland, Ungarn und Estland weigerten sich am 1. Juli, einen ersten Beschluss des OECD Inclusive Framework zur globalen Steuerreform zu unterstützen. Zypern ist nicht einmal Mitglied des OECD/G20 Inclusive Framework und hat bereits ein Veto gegen die Umsetzung der OECD-Vereinbarung in der EU angekündigt.

Eine juristische Studie des renommierten internationalen Steuerrechtlers Prof. Englisch zeigt, dass der G20/OECD-Deal in Europa ohne Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden kann. Die Studie habe ich in Auftrag gegeben. https://sven-giegold.de/steuerrechtliches-gutachten-prof-englisch-legal-study/

Bei einem Mindeststeuersatz von 21 % würde die EU im Jahr 2021 etwa 100 Mrd. € zusätzlich einnehmen. Ein Wechsel von 21 % auf 15 % würde die zusätzlichen Steuereinnahmen in der EU halbieren. Basierend auf einer Studie der EU-Steuerbeobachtungsstelle zu den Einnahmen von einer effektiven Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 25, 21 oder 15 Prozent: https://www.taxobservatory.eu/wp-content/uploads/2021/06/EUTO2021-1.pdf