Sven Giegold

Grüner Plan für gutes und bezahlbares Wohnen in Europa

Bild zum Thema Wohnen mit vielen Balkonen von robertprax veröffentlicht auf pixabay.com

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Interessierte,

heute gehen in 18 Städten in Deutschland die Menschen auf die Straßen, um Gesicht zu zeigen und sich Gehör zu verschaffen gegen den Mietenwahnsinn. Vielleicht sogar auch Sie/ Ihr, denn Wohnen ist zu der sozialen Frage unserer Zeit geworden.

Dass sich Menschen ein zentrales Grundbedürfnis wie Wohnen nicht leisten können, ist eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Erst recht in unserem reichen Land. Die Verdrängung von Menschen aus den Städten verschärft die Spaltung zwischen Arm und Reich und wird auch mehr und mehr für die Wirtschaft ein Problem.

Hier hat die Große Koalition in den letzten Jahrzehnten versagt. Lösungen müssen her, und das schnell und nicht nur national. Die meisten Kompetenzen für die Lösung der Wohnungskrise liegen auf nationaler und kommunaler Ebene. Doch auch Europa ist gefragt, im Rahmen seiner Zuständigkeiten einen Beitrag zu leisten. Deshalb habe ich einen vier Punkte Plan erstellt, den ich gerne unten mit Ihnen teile.

Mit solidarisch grünen Grüßen

Sven Giegold

 

Grüner Plan für gutes und bezahlbares Wohnen in Europa

Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. In Deutschland geben 16 Prozent der Menschen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Das ist in der EU die zweitschlimmste Belastung nach Griechenland. Der reine #Mietenwahnsinn! In Rumänien leben 50 Prozent der Menschen in überbelegten Wohnungen. 95 Prozent der Griech*innen mit niedrigem Einkommen erleben eine Explosion ihrer Wohnkosten (Quelle: FEANTSA). Dass sich Menschen ein zentrales Grundbedürfnis wie Wohnen nicht leisten können, ist ein bedroht das Grundrecht auf Wohnen. Erst recht in unserem reichen Land. Die Verdrängung von Menschen aus den Städten ist eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Die Verdrängung ist aber nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Wirtschaft ein Problem. Gutes Personal ist ein wichtiger Standortfaktor. Wenn die Wohnungssuche zum unüberwindlichen Hindernis wird, wird es für Firmen noch schwieriger Mitarbeiter zu finden. Gutes und bezahlbares Wohnen gehört zur notwendigen Infrastruktur für wirtschaftliche Stärke. Gerade in den Städten und Regionen mit gutem Entwicklungspotential wird der Mietenwahnsinn zum Wirtschaftshemmnis.

Wohnen ist keine europäische Kern-Zuständigkeit. Die meisten Hebel sind in der Hand der nationaler, regionaler und kommunaler Politik. Das wollen wir auch nicht ändern, denn Boden und Immobilien sind immobil und die Verhältnisse von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Aber auch Europa muss aber im Rahmen seiner Zuständigkeiten zu Lösungen für diese wichtige Herausforderung beitragen. Dieser Plan fasst zusammen, was wir in der Europäischen Union tun können.

Mit diesen 4 Punkten wollen wir Grünen auf europäischer Ebene für mehr gute und bezahlbare Wohnungen in Deutschland und Europa sorgen.

1 | Wohnen als Schwerpunkt der EU-Fördermittel: Mehrjährigen Finanzrahmen neu ausrichten

Die Milliarden der europäischen Fördermittel fließen bisher kaum in sozialen Wohnraum. Die Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) dürfen für Wohnungsbau nur bei energetischer Sanierung eingesetzt werden. Die Verwendung für sozialen Wohnungsbau ist bisher beschränkt auf marginalisierte Gruppen, insbesondere Roma. Die EU-Förderung für Wohnungen für Roma ist richtig, damit Menschen in ihrer Heimat ein Zuhause haben und nicht vor bitterer Armut in die Fußgängerzonen anderer Länder flüchten müssen. Für den nächsten EU-Haushaltsrahmen 2021-2027 wollen wir gemeinwohlorientiertes Wohnen für alle Menschen mit niedrigem Einkommen aber zum Schwerpunkt für europäische Fördermittel machen. Auf Grüne Initiative hin, steht das Ziel des sozialen Wohnungsbaus bereits im Beschluss zum EFRE, den das Europaparlaments letzter Woche abgestimmt hat. Investitionen in Wohnungsbau sollen mit EU-Geld gefördert werden, wenn Immobilien im öffentlichen oder im gemeinnützigen Besitz sind und für Haushalte mit niedrigem Einkommen oder Menschen mit Behinderungen reserviert. Auch aus dem Europäischen Sozialfond (ESF) sollen gezielt Gelder zur Verfügung stehen zur Förderung von Zugang zu geeignetem Wohnraum. Die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat der Mitgliedstaaten gehen erst nach der Europawahl richtig los. Jede Stimme für Grün ist eine Stimme für mehr EU-Geld für sozialen Wohnungsbau.

2 | Immobilienmarkt entgiften: Geldwäsche, Briefkastenfirmen und Spekulation beenden

Mieten steigen aus mehreren Gründen. Auch der Zufluss von Schwarzgeld verschlimmert die angespannte Lage auf den Immobilienmärkten. Ausgerechnet Deutschland hat den Ruf, Geldwaschmaschine für die italienische Mafia und russische Oligarchen zu sein. Und das obwohl wir Grünen in Europa harte Regeln gegen Geldwäsche mit durchsetzen konnten. Viele Akteure sind per EU-Gesetz verpflichtet, beim Verdacht auf Geldwäsche Alarm zu schlagen. Was Deutschland für Geldwäsche attraktiv macht, ist die bewusste Nicht-Anwendung europäischen Rechts. Weil Anonymität beim Kauf millionenschwerer Immobilien bisher kein Problem ist, fühlt sich Schwarzgeld in Deutschlands Städten so wohl. Die Zahl der Verdachtsmeldungen auf Geldwäsche von Notaren, Rechtsanwälten und Immobilienmaklern bewegen sich nahe der Nachweisgrenze, obwohl sie zu spontanen Meldungen nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet sind. Es braucht eine aktivere Aufsicht staatlicher Stellen, damit das geltende Recht endlich auch vollzogen wird. Alle Bundesländer müssen ihrer Aufgabe zur Prävention von Geldwäsche gerade mit Bezug auf Immobilien besser nachkommen.

Außerdem muss die Bundesregierung die Financial Intelligence Unit (derzeit beim Zoll) endlich personell, technisch und bei den Zugängen zu polizeilichen Daten so ausstatten, dass sie ihre Aufgaben auch wirksam erfüllen kann.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen,“ sagt das Grundgesetz. Die Sozialpflicht ist aber schwer durchzusetzen, wenn sich Eigentümer hinter einer Briefkastenfirmen verstecken. Mieter haben ein Recht, ihren Eigentümer zu kennen. Schließlich macht es oft einen großen Unterschied, ob eine eilige Reparatur schnell passiert oder von einer anonymen Hausverwaltungsfirma auf die lange Bank geschoben wird. Um Briefkastenfirmen transparent zu machen, hat die EU auf viel grünen Druck hin ein Transparenzregister der wirtschaftlich Berechtigten vorgeschrieben. Doch die große Koalition in Berlin verweigert die ordentliche Umsetzung. Das Transparenzregister über wirtschaftlich Berechtigte muss endlich tatsächlich Auskunft über die wahren Eigentümer von allen Firmen in Deutschland geben, wie es das Europarecht vorsieht. Die deutsche Sonderregelung, dass Schachtelkonstruktionen anonym bleiben dürfen, widerspricht europäischem Recht. Daher muss die deutsche Umsetzung der 4. Anti-Geldwäsche-Richtlinie nachgebessert werden. Weil die Berliner Große Koalition alle Aufforderungen bisher ignoriert, haben wir Grünen im Europaparlament eine Vertragsverletzungsbeschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.

3 | Ein europäischer Rechtsrahmen für soziale und gute Wohnungen, um nationale Politiken zu koordinieren

Wo wichtige Politik vor allem nationale Zuständigkeit ist, kann die EU dennoch mit einem Rechtsrahmen koordinierend eingreifen. Wir wollen einen solchen europäischen Rechtsrahmen für soziales und gutes Wohnen. Sozialer Wohnungsbau muss eine europäische Priorität sein. Die Durchsetzung der EU-Regeln für staatliche Beihilfen darf nicht zum Nachteil für sozialen Wohnungsbau gegenüber gewinnorientierten Immobilienunternehmen führen oder zur Schaffung von “Ghettos” sozial Benachteiligter führen. Wir wollen vielfältige Nachbarschaften fördern. Die EU-Kommission kann den europäische Rechtsrahmen mit der Methode der offenen Koordinierung Stück für Stück durchsetzen. Die EU-Kommission kann den nationalen Regierungen im Rahmen des Europäischen Semesters gezielt Empfehlungen für soziales Wohnen machen, wo dies besonders notwendig ist.

4 | Ökologischen Wohnraum im Rahmen der verbindlichen EU-Klimaziele sozialverträglich fördern

Das Pariser Klimaabkommen ist ein großer Erfolg der europäischen Diplomatie, um den Klimakollaps zu verhindern. Um das Ziel zu erreichen, die globale Erwärmung auf unter 1,5 Prozent zu begrenzen, müssen alle Länder ihren Verpflichtungen nachkommen. Bis Dezember 2019 muss die Bundesregierung dafür ihren verbindlichen nationalen Aktionsplan zu Klima und Energie an die EU-Kommission melden. Für den Aktionsplan fordern wir eine umfassende Definition zu Energiearmut sowie quantifizierte Ziele und effektive Maßnahmen zu deren Minderung. Um diese Ziele zu erreichen, muss die Bundesregierung eine ambitionierte langfristige Renovierungsstrategie vorzulegen. Die Bundesregierung sollte die Strategie unter Einbeziehung von Vertretern der Armuts- und Frauenverbände sowie von Sozialwohnungsbauvertretern erarbeiten. Die Renovierungstrategie muss die Finanzierung für die Renovierung von Gebäuden, in denen einkommensschwache Menschen wohnen, in den Mittelpunkt stellen. Die Rate der Renovierung muss auf mindestens drei Prozent festgelegt werden. Um sie zu erreichen, braucht es entsprechende Maßnahmen im Bereich Beratung, Finanzierung, Stadt- und Raumplanung.

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