Sven Giegold

Handelsblatt: Strukturelle Defizite: Sechs Staaten im Rückstand

Sechs Staaten im Rückstand

Statistik belegt: Sparvorgaben der EU werden nicht eingehalten.

Ruth Berschens,  Brüssel. Der Abbau der Staatsverschuldung in der EU kommt nicht wie geplant voran. Grund dafür ist nicht nur die Rezession in den Krisenstaaten, sondern auch der mangelnde Reformeifer vieler Regierungen. Das beweist eine neue Haushaltsstatistik des Europaparlaments, die dem Handelsblatt vorliegt. Ihr zufolge sind sechs der 17 Euro-Staaten den EU-Sparvorgaben für das strukturelle Haushaltsdefizit nicht voll nachgekommen. Es handelt sich um Belgien, Spanien, Zypern, Österreich, Portugal und Slowenien.

tabelleDas strukturelle Defizit ist bereinigt von negativen Auswirkungen eines Konjunkturabschwungs auf den Staatshaushalt. Aus dem Abschwung resultierende steigende Ausgaben für Arbeitslosigkeit oder sinkende Steuereinnahmen werden nicht angerechnet. Die betroffenen Regierungen können sich also nicht mit der schlechten Wirtschaftslage herausreden, wenn sie ihr strukturelles Staatsdefizit nicht wie versprochen gesenkt haben.

In den EU-Strafverfahren gegen Haushaltssünder ist das strukturelle Defizit der wichtigste Maßstab geworden. Der EU-Schwellenwert für das nominale Defizit, drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, spielt dagegen nur noch eine nachgeordnete Rolle. Wenn die Wirtschaft stagniert oder schrumpft, dann muss die nominale Defizitquote nicht unbedingt unter die Drei-Prozent-Marke gedrückt werden. Das Sparziel beim strukturellen Defizit ist aber in jedem Fall einzuhalten.

Derzeit laufen gegen 20 EU-Staaten Strafverfahren wegen überhöhter Defizite, darunter zwölf Euro-Staaten. Alle 20 Länder bekamen von der EU-Kommission konkrete Vorgaben für die Reduzierung des strukturellen Defizits. Zum Beispiel sollte Belgien dieses Defizit von 2010 bis 2012 um durchschnittlich 0,75 Prozent pro Jahr senken. Erreicht wurde nur ein Minus von durchschnittlich 0,43 Prozent pro Jahr. Spanien sollte sein Strukturdefizit 2012 um 2,7 Prozent senken, schaffte jedoch nur 1,4 Prozent. Österreich soll von 2010 bis 2013 jährlich im Schnitt 0,75 Prozent abbauen. Doch faktisch stieg das strukturelle Defizit 2012 um 0,2 Prozent.

Dagegen haben Frankreich und Italien ihre Sparziele beim strukturellen Defizit erreicht. „Deshalb ist es ökonomisch sowie rechtlich falsch und politisch destruktiv, der französischen Regierung vorzuwerfen, sie halte sich nicht an die wirtschaftspolitischen Regeln“, sagte Europaparlamentarier Sven Giegold von den Grünen. Nicht mangelnder Spareifer der Regierung, sondern die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft sei das Problem.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sieht das ähnlich. Beim am heutigen Donnerstag beginnenden EU-Gipfel will er die Regierungschefs deshalb dazu auffordern, mehr für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften zu tun. Der Sparkurs müsse „Hand in Hand gehen mit Strukturreformen, die Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit fördern und makroökonomische Ungleichgewichte korrigieren“, heißt es einem Erklärungsentwurf, den Van Rompuy den Regierungschefs vorlegen will.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso warf den EU-Staaten vor, zu wenig für das Wirtschaftswachstum zu tun. Der im Juni vergangenen Jahres beschlossene Wachstumspakt würde nicht schnell genug umgesetzt, sagte Barroso. Der Pakt hat ein Volumen von 120 Milliarden Euro. Das Geld soll unter anderem dazu dienen, arbeitslose Jugendliche zu unterstützen und mittelständischen Unternehmen zu zinsgünstigen Krediten zu verhelfen.

Ruth Berschens, Handelsblatt vom 14.03.2013

 

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