Sven Giegold

Humala kommt, Hoffnung geht, Schäden bleiben
Das Europaparlament sollte dem vom Präsidenten Perus umworbenen Freihandelsabkommen nicht zustimmen

von Sven Giegold & Gaby Küppers

Wenn der peruanische Präsident Ollanta Humala an diesem Mittwoch vor dem Europäischen Parlament spricht, dürfte ihm mächtig Wind ins Gesicht wehen. Sein Glaubwürdigkeitsabsturz war schnell und heftig. Das hatte bei der Reiseplanung wohl noch niemand in diesem Umfang erwartet.

Nach nicht einmal zehn Monaten im Amt hat Humala die Hoffnungen seiner WählerInnen platzen lassen. Im Frühjahr 2011 hatte der in der armen, indianischen Bevölkerungsmehrheit am stärksten verankerte Vertreter des Partido Nacionalista an der Spitze einer breiten Allianz aus meist linken Parteien in der zweiten Runde den Sieg über die Tochter und gleichzeitig First Lady des ehemaligen Diktators Alberto Fujimori, Keiko Fujimori. Selbst Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, in Wirtschaftsfragen ein erklärter Liberaler, hatte zu seiner Wahl aufgerufen.

Humala hatte einen „profundo cambio“ versprochen, einen grundlegenden Wandel in der bis dato auf Rohstoffausbeutung konzentrierten Wirtschaft des Landes. Raubbau an der Natur, verseuchte Böden, verschmutztes Trinkwasser, Krankheiten und Missbildungen von Neugeborenen sind die Folge des sogenannten „extraktivistischen“ Modells. Internationale Bergbaukonzerne und Agroindustrie schöpfen die Gewinne ab und bringen sie unkontrolliert außer Landes. In die umliegenden Dörfer geht bis heute oftmals nicht mal eine asphaltierte Straße. Mehr als die Hälfte der sozialen Konflikte in Peru haben mit dem Bergbau zu tun.

Eines der ersten neuen Gesetze der Regierung Ollanta Humala war die Umsetzung der ILO-Konvention 169 zur vorherigen Konsultation der betroffenen Bevölkerung bei Bergbauprojekten. Doch als es ernst wurde und die Leute wegen Conga, der geplanten Erweiterung der ohnehin schon weltgrößten Goldmine Yanacocha bei Cajamarca, im November auf die Straße gingen, schickte Ollanta Humala Militär. Menschen starben.

Die Flitterwochen der linken und progressiven UnterstützerInnen mit dem Nationalisten Humala waren schnell vorbei. Scharenweise liefen Humala die Minister davon oder wurden gefeuert. Ersetzt wurden sie durch Mitglieder der Oligarchie und Freunde Humalas aus Militärzeiten. Inzwischen ist der dritte Premier im Amt. Im Mai kam es in der Provinz Espinar bei Auseinandersetzungen um eine Kupfermine des Anglo-Schweizer Konzerns Xstrata zu gewalttätiger Repression. Zwei Menschen starben. Der Bürgermeister von Espinar wurde unter illegalen Umständen verhaftet und soll fünf Monate in Haft bleiben. Indessen wird der Gouverneur von Cajamarca mit sechs Jahren Haft wegen „Anstiftung zu Rebellion“ bedroht. Das Kabinett Humala, allen voran der Premier, zündelt heftig weiter mit Vorwürfen wie: „Terroristen“ seien am  Werk.

Nun will Humala im Europaparlament für eine Zustimmung der EuropaparlamentarierInnen für ein Freihandelsabkommen EU – Peru/Kolumbien werben. Just in dieser Woche verabschieden die EuroparlamentarierInnen eine Resolution zum menschenrechtlichen Inhalt des Abkommens. Im September soll eine Abstimmung über das Abkommen insgesamt folgen.

Wer dieses Abkommen befürwortet, will, dass sich in Peru nichts ändert. Eben daher haben es mit den Konzernen verbandelte Kräfte in Europa wie in Peru auch so eilig mit der Ratifizierung. Keiner Regierung soll es mehr einfallen, die Unternehmensprofite über schärfere Umweltauflagen oder bessere Steuerpolitik zu schmälern. Heute bezahlen Bergbaukonzerne in Peru so gut wie keine Steuern, die konzerninterne Einfuhr von Maschinen und Technologie ist komplett steuerfrei. Das Versprechen, das schwache Abgabengesetz für Bergbaukonzerne durch ein ernsthaftes Steuergesetz abzulösen, liess Humala bereits fallen. Auch die angekündigten weitreichenden Änderungen in der Arbeitsgesetzgebung blieben aus..

Ist der Druck aus Unternehmerkreisen jetzt schon groß, wird nach Verabschiedung des Freihandelsgesetzes gar nichts mehr gehen. Jede Verbesserung kann dann als „entgangener Gewinn“ von den Konzernen vor das abkommenseigene Gericht („“DSM“) gebracht werden. Eine Keule, die präventive Wirkung entfalten wird.

Humala argumentiert, das Freihandelsabkommen brächte nicht nur Sicherheit für Investoren, sondern auch verbesserten Marktzugang in Europa, etwa für peruanische Bauern. Damit streut er Sand in die Augen. Peruanische  und kolumbianische Produkte genießen im Rahmen des sogenannten APS plus (Allgemeines Präferenzsystem) seit vielen Jahren Zollfreiheit in der EU. Zollsätze unter Null gibt es nicht.

VertreterInnen aus der EU-Kommission betonen ihrerseits immer wieder, das Abkommen besitze ein einzigartiges Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung. Auch das stimmt so nicht. Das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Freihandelsabkommen mit Korea ist in entscheidenden Aspekten des Sozialen und der Ökologie viel härter. Zudem sah ein vor Jahren schon erstelltes Gutachten zur Nachhaltigkeit des Abkommens (SIA, „Sustainability Impact Assessment“) schwerwiegende Folgen für Boden, Wasser und Landkonzentration voraus und warnte, die vorgesehenen Liberalisierungen im Finanzdienstleistungssektor hätten zur Folge, dass der Banken- und Versicherungssektor komplett in ausländische Hände übergehen. Beide Befürchtungen schlugen die Unterhändler des Abkommens in den Wind. Als ich im EP wiederholt nachfragte, wurde deutlich, dass das SIA der EU-Handelsdirektion zur Imagepflege dient, nicht zur Korrektur möglicher Fehler, wozu es erfunden wurde. Jetzt werden in Peru gerade diejenigen niedergeknüppelt, die sich gegen soziale und Umweltfolgen des Bergbaus unter Freihandelsbedingungen wehren. Angesichts der europäischen Bankenkrise läuft der absehbare weitere Abbau von Kontrolle über den Bankensektor im Rahmen des Freihandelsabkommens allen Regulierungsanstrengungen hierzulande zuwider. Er wird geradezu verheerende Folgen auf beiden Seiten – in den Andenländern wie in Europa – haben.

Seitdem die Marschrichtung des Verhandlungen nach deren Aufnahme 2006/2007 bekannt wurde, mobilisiert eine wachsende Zahl von Gewerkschaften, Umweltgruppen, kirchlichen und Lateinamerikagruppen gegen ein Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru. Allein im Europäischen Parlament haben wir Grünen seither etliche Veranstaltungen zur Problematik dieses Abkommens im Hinblick auf Peru wie auch auf Kolumbien beherbergt. Bei Kolumbien lag dabei der Akzent auf den dortigen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen.

In dieser Woche steht Peru im Mittelpunkt. Die derzeitige gewalttätige Repression von GegnerInnen des allein auf Rohstoffexport beruhenden Wirtschaftsmodells, das ihrer Meinung nach Lebensgrundlagen einer Bevölkerungsmehrheit zerstört, zeigt, wie wichtig es ist, von uns aus ebenfalls nachdrücklich Nein zu sagen, bevor es zu spät und das Abkommen ratifiziert ist.

Wir Grünen werden daher in dieser Woche die Resolution zum Abkommen ablehnen, wie wir voraussichtlich auch im Herbst das Abkommen insgesamt ablehnen werden.

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Hier finden Sie unsere Änderungsanträge im Handelsausschuss, die wir in Abstimmung mit Umwelt- und Entwicklungsorganisationen und Gewerkschaften in Peru und Europa zur Resolution, die komplett vor allem durch Sozialdemokraten und Konservative abgelehnt wurden.

Hier ein Brief der Katholischen Entwicklungsorganisation CIDSE, zu der in Deutschland misereor gehört, zum Thema.

Hier ein Brief der Peru-Initiative zum Besuch von Humala in Deutschland.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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