STEUERFLUCHT
Lob für Steuerabkommen
- Das Abkommen zum Datenaustausch in Steuerangelegenheiten, das Vertreter aus 50 Ländern heute in Berlin unterzeichnen, sei eine Weichenstellung in die richtige Richtung, sagte der Finanzexperte und Grünen-Europaabgeordnete, Sven Giegold, im DLF. Der Kampf gegen Steuerflucht sei aber noch lange nicht beendet, denn das Abkommen habe Schlupflöcher.
Vor allem die Überwachung des Abkommens müsse gut geregelt werden, betonte Sven Giegold im Interview mit dem Deutschlandfunk. Durch den Vertrag werde der Informationsaustausch über Finanzgeschäfte zum globalen Standard. Dies sei eine Weichenstellung, die man begrüßen müsse. Die Steuer-Schlupflöcher müssten noch geschlossen werden.
Hier zum Nachhören:
Das Interview mit Sven Giegold in voller Länge:
Peter Kapern: Das Bankgeheimnis ist tot. Das Nummernkonto mit Schwarzgeld in der Schweiz oder in Luxemburg wird unweigerlich auffliegen, glaubt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der Grund für seine Jubelarien: Heute wird in Berlin das internationale Abkommen über den grenzüberschreitenden Informationsaustausch in Steuerfragen unterzeichnet. Komplizierter Titel, simpler Inhalt: Ihr freundlicher Finanzbeamter wird erfahren, ob Sie im Ausland Zinsen kassieren, ohne sie im Inland zu versteuern.
Bei uns am Telefon ist jetzt Sven Giegold, der Finanzexperte der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Guten Morgen!
Sven Giegold: Guten Morgen, Herr Kapern.
Kapern: Herr Giegold, Sie sind ja nicht nur grüner Europaabgeordneter; Sie sind auch Mitbegründer des Tax Justice Networks, also einer NGO, die die Steuergerechtigkeit auf Erden verwirklichen will. Um wie viel kommen wir dieser Steuergerechtigkeit denn näher mit dem Abkommen, das da heute in Berlin unterzeichnet wird?
Giegold: Das Abkommen heute ist eindeutig eine Weichenstellung. Es ist eine Weichenstellung deshalb, weil ja bis Kurzem viele, auch Herr Schäuble, noch die Quellensteuer bevorzugt haben. Das bedeutet, dass einfach pauschal ein Steuerbetrag abgezogen wird und in das Heimatland des Steuerbürgers überwiesen wird. Damit ist aber keine progressive Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, also mit steigenden Steuersätzen möglich, und schon gar keine Vermögenssteuer. Mit dem automatischen Informationsaustausch sind auch Kapitaleinkommen in der Globalisierung progressiv besteuerbar. Das war bis vor Kurzem noch undenkbar und das ist ein großer Erfolg.
„Kampf gegen die Steuerflucht ist noch lange nicht beendet“
Kapern: Allerdings ein Erfolg, der möglicherweise nicht sehr lange anhält. Als vor ein paar Jahren das Bankgeheimnis in der Schweiz und das Treuhandmodell in Liechtenstein unter Beschuss gekommen sind, da gab es ja immer wieder Berichte darüber, dass Finanzinstitute immer neue Modelle für steuervermeidende Anleger entwickelt haben. Kann das mit dem heutigen Abkommen unterbunden werden, oder ist das einfach nur eine weitere Herausforderung für den Erfindungsreichtum dubioser Anleger?
Giegold: Man darf sicherlich den Tag nicht vor dem Abend loben. Der Kampf gegen die Steuerflucht ist noch lange nicht beendet, denn das Abkommen hat Schlupflöcher. Ich nenne Ihnen mal zwei Beispiele. Sobald Sie weniger als 25 Prozent an einer Firma halten, muss nicht mehr transparent gemacht werden, wem die Firma gehört, und Sie können dort Ihre Kapitaleinkünfte verstecken. Oder es ist genau das Gleiche, wenn Sie weniger als 50.000 US-Dollar in einer Firma verstecken. Dann fällt das nicht unter die Meldevereinbarung. Und dergleichen gibt es weitere Schlupflöcher und die Hunderttausende von Menschen, die derzeit in den Steueroasen arbeiten an der Steuervermeidung, die werden jetzt ja nicht einfach auf ehrliche Arbeit umsatteln, sondern man muss befürchten, dass die ihre volle Kreativität entfalten. Daher ist nach dem Abkommen vor der Überarbeitung des Abkommens.
Kapern: Nun unterzeichnen 50 Länder dieses Abkommen, über den Daumen gepeilt. Ein paar weniger sind es wohl. Das ist ja nicht einmal jeder vierte Staat der Welt. Wie viele der sogenannten Steueroasen sind denn unter den Unterzeichnerstaaten und wie groß ist die Gefahr, dass die Steueroasen-Karawane einfach weiterzieht in die Nicht-Signatar-Staaten?
Giegold: Einige der besonders hart gesottenen sind darunter und wichtig ist natürlich, dass Großbritannien dabei ist, denn Großbritannien hat großen Einfluss auf viele der Inseln, die derzeit eine große Rolle im globalen Steuerhinterziehungswettbewerb spielen. Aber entscheidend ist: 50 Länder plus die Vereinigten Staaten, die ja ein sehr ähnliches Regime bereits in Gang gesetzt haben. Und man darf ruhig daran erinnern, dass es ja nicht ein steuerpolitisches Damaskus-Erlebnis war, was Herrn Schäuble zur Einsicht gebracht hat, sondern er wurde vom Saulus zum Paulus, weil die Amerikaner mit immer mehr Ländern bereits diesen automatischen Informationsaustausch vereinbart haben. Deshalb kann man auch erwarten, dass sich immer weitere Länder diesem System anschließen.
Kapern: Sie nennen das Beispiel USA gewissermaßen als Vorbild. Die USA haben in diesem Abkommen auch starke Sanktionen gegen jene Banken, die noch immer gegen die Regeln verstoßen. Sieht dieses Abkommen, das heute in Berlin unterzeichnet wird, ähnlich starke Sanktionen vor?
Giegold: Nein. So eine Sanktion, wie die Amerikaner das gemacht haben, dass sie sagen, wenn eine Bank nicht mitmacht, dann werden Transfers von dieser Bank automatisch mit 30 Prozent Pauschalsteuer belegt, eine solche Sanktion gibt es nicht. Aber es verbietet auch Ländern nicht, Sanktionen anzuwenden, und das ist an verschiedenen Stellen vermutlich auch notwendig. Man muss auch bedenken: Parallel zu all dem, was wir jetzt regeln, nämlich die private Steuerflucht, haben wir ja noch das globale Unternehmenssteuer-Dumping, und da erleben wir gerade eine neue Runde. Frankreich, Italien, Spanien, alle senken die Steuern, auch in Europa, und an der Stelle ist bisher fast nichts passiert, und da darf Herr Schäuble nicht mit zweierlei Maß messen und sagen: Ich freue mich über die Bekämpfung des Missbrauchs des Bankgeheimnisses, aber tue nichts gegen das Unternehmenssteuer-Dumping in Europa.
„Automatischer Informationsaustausch global wird der Standard“
Kapern: Da gilt dann ja gewissermaßen in bestimmter Hinsicht der Grundsatz, die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Anders ausgedrückt: Wer eine Million in der Schweiz oder in Liechtenstein liegen hat, der fliegt jetzt bald auf, aber wer milliardenschwere Firmengewinne kreuz und quer durch Europa verschiebt, der kommt dann immer noch ungeschoren davon?
Giegold: Ehrlich gesagt: Wer eine Million Euro in der Schweiz hat, ist nun wirklich im Vergleich kein kleiner Fisch. Denn die allermeisten Menschen würden sich ja freuen, wenn sie nur ansatzweise so viel besäßen.
Kapern: Aber ein kleiner Fisch im Vergleich zu Starbucks oder Amazon oder anderen multinationalen Konzernen.
Giegold: Ja. Aber das Argument, schlimmer geht immer, ist nicht besonders glaubwürdig, denn die Steueroasen haben ja schon eine Wirkung entfaltet, nämlich viele Menschen haben das Gefühl, diejenigen, die wirklich etwas zu versteuern hätten, die zahlen nicht mehr, und das untergräbt die Steuermoral und untergräbt auch das Vertrauen in den Rechtsstaat. Und dass wir jetzt einen Schritt daraus machen, ist richtig. Aber das Abkommen ist nur so gut – und da haben Sie genau den Punkt auch erwischt -, wie sehr auch die wirklich größten Steuerhinterzieher sich tatsächlich nicht mehr durch das Netz schlüpfen können, und dazu muss die Abkommensüberwachung gut geregelt werden und man darf jetzt nicht sich politisch gratulieren und nichts mehr tun, sondern muss jetzt das Abkommen überwachen, sehen, ob die zehn Billionen US-Dollar, die in den Steueroasen liegen, ob die auch nach Hause gemeldet werden, und daran kann man messen, wie gut das Abkommen tatsächlich funktioniert, und muss es gegebenenfalls verschärfen.
Kapern: Jetzt haben wir in diesem Gespräch, Herr Giegold, ja doch eine ganze Menge Lücken und Schwachstellen dieses Abkommens herausgearbeitet. Muss man als Fazit nicht festhalten, dass dieses Abkommen, das da heute unterschrieben wird, doch eher ein kleiner als ein großer Schritt vorwärts ist?
Giegold: Nein, das teile ich nicht, und zwar wegen des Weichenstellungscharakters. Man darf ja nicht vergessen: Bis Kurzem war es noch völlig undenkbar, dass das Bankgeheimnis in dieser Weise beschränkt wird. Es gab ja auch viele Christdemokraten, denen das Bankgeheimnis heiliger war als das Beichtgeheimnis. Jetzt ist es so, dass wir uns entschieden haben, automatischer Informationsaustausch global wird der Standard, und damit kann man diesen Standard verbessern. Das Umgekehrte wäre praktisch die Akzeptanz gewesen, dass man in der Globalisierung Einkommen nicht mehr progressiv, also nach Leistungsfähigkeit besteuern kann, und das hätte die Ungleichheit auf Dauer zementiert. Weil wenn Sie die Kapitaleinkommen, Dividenden, Zinsen, Spekulationsgewinne nicht mehr ordentlich besteuern können, wer wird sonst noch Steuern bezahlen. Deshalb ist das schon eine Weichenstellung, die aus den USA ausgegangen ist, die man wirklich begrüßen muss.
Kapern: Sven Giegold, der grüne Finanzexperte im Europaparlament, heute Morgen in unserer Sendung. Herr Giegold, danke für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag nach Brüssel.
Giegold: Sehr gerne.