Sven Giegold

Interview in der BZ: „Die Haltung der SPD beunruhigt mich“

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Herr Giegold, wie bewerten Sie EUKommissar Rehns Kritik am deutschen Exportmodell?

Unsere Überschüsse führen zu immer größerer Verschuldung des Auslands bei der deutschen Volkswirtschaft. Ob wir dieses Geld je wiedersehen, ist ungewiss. Es ist auch in unserem eigenen Interesse, mit höheren Löhnen und Investitionen die hohen Exportüberschüsse abzubauen.

Die große Koalition feiert erste Erfolge, etwa die Einführung derFinanztransaktionssteuer …

Die feiern Weihnachten zu Ostern. Die Steuer ist vom Europaparlament erstritten worden. CDU und FDP haben sie in den Fiskalpaktverhandlungen mit SPD und Grünen akzeptiert. Jetzt die Einigung über die Finanztransaktionssteuer als Erfolg zu verkünden, hat also etwas Absurdes.

Die Idee einer Bankenunion kommt in Europa dagegen nicht voran.

Es ist in der Tat ein Skandal, dass dieses so wichtige europäische Projekt nicht vorankommt. Die alte Bundesregierung hatte in den letzten Monaten bereits massiv Sand ins Getriebe gestreut. Was die momentane Diskussion betrifft, ist der Grundansatz gut. Die Rettung der Banken soll keine Staatsfinanzen mehr sprengen. Was jetzt in den Verhandlungen von Union und SPD damit gemacht wird, ist aber fatal. Die Koalitionäre wollen einfach eine zeitliche Lücke nicht erkennen. Die Europäische Zentralbank macht sich daran, die Bilanzen der 128 wichtigsten Banken in der EU zu prüfen. Derzeit ist aber völlig unklar, wer die Institute auffängt, die durch den Stresstest fallen. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem großen Institut die Kapitallücke so groß ist, dass ein „bail-in“ der Aktionäre und Gläubiger nicht ausreicht. Die Haltung der SPD jedenfalls beunruhigt mich.

Inwiefern?

Banken und ihre Gläubiger sollen für in Schieflage geratene Institute haften. Der Auffangfonds der Banken wird aber wohl erst 2025 über die vollen Mittel verfügen. Das Sinnvollste wäre es, der Bankenfonds würde in der Zwischenzeit die notwendigen Mittel über Kredite finanzieren und später zurückzahlen.Die gesamte internationale Wirtschaftswissenschaft, die Europäische Zentralbank und übrigens auch deren Direktoriumsmitglied Asmussen, ein SPD-Mitglied, sind der Meinung, dass in der Zwischenzeit der ESM eine Rolle spielen muss. Die Lösung der SPD, in der Zwischenzeit sollen die Staaten einspringen, wäre fatal. Wenn es um die Rettung einer wirklich großen Bank gehen sollte, könnte dies leicht die Staatsfinanzen erneut in ernsthafte Schieflage bringen. Wie soll das aufgefangen werden? Das bedeutet im Klartext:Die SPD nimmt in diesen Staaten weitere Austeritätspolitik in Kauf, damit dort die Staatsfinanzen wieder ins Lot kommen. Viel besser wäre es doch, dieBanken, die schließlich an der Kreditblase in den Krisenländern ordentlich verdient haben, so wie dies mit dem Abwicklungsfonds auch geplant ist, direkt in die Haftung zu nehmen und dem Abwicklungsfonds die Möglichkeit zu Kreditaufnahmen zu geben.

Auch die Idee eines Schuldentilgungsfonds wird die Koalitionsgespräche wohl nicht überstehen?

Ich hoffe immer noch, dass die SPD hier hart bleibt. Der Schuldentilgungsfonds ist vom Sachverständigenrat der Bundesregierung ersonnen worden, das Europaparlament hat ihn gutgeheißen, übrigens mit den Stimmen der Sozialdemokraten. Beim Schuldentilgungsfonds geht es einerseits darum, dass die Zinslast in den Krisenländern sinkt und damit die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Viel wichtiger aber noch ist, dass wir damit endlich ein demokratisch legitimiertes Zeichen besitzen, das jegliche Spekulation über ein Scheitern des Euro beendet. Dann kehrt auch in den Krisenländern wieder Vertrauen ein, und die Menschen und Unternehmen werden dort wieder investieren und so die unerträgliche Arbeitslosigkeit abbauen.

Das Gespräch führte Peter Riesbeck.

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