Sven Giegold

LuxLetters: Luxemburg umgeht Austausch von Steuerinformationen auch nach LuxLeaks

Ein internationales Rechercheteam hat aufgedeckt, dass Luxemburg auch nach dem LuxLeaks-Skandal 2014 Großunternehmen weitreichende Steuervorteile gewährt hat. Um diese vor anderen Ländern geheim zu halten, wurde dabei auf sogenannte Informationsbriefe zwischen den Steuerbehörden und leitenden Angestellten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Anwaltskanzleien zurückgegriffen. So hat Luxemburg versucht, Transparenzpflichten zu umgehen, die es mit allen anderen europäischen Ländern auf internationalen Druck nach dem LuxLeaks-Skandal eingeführt hatte.

Seit der dritten EU-Richtlinie über die Zusammenarbeit der Steuerbehörden (DAC3) besteht in der EU die Pflicht, grenzüberschreitende Steuervorbescheide und ähnliche Vereinbarungen mit anderen Ländern auszutauschen. Diese trat 2017 in Luxemburg in Kraft. Artikel 1.1.b.14 der EU-Richtlinie definiert einen ‘grenzüberschreitenden Vorbescheid‘, der automatisch ausgetauscht werden muss, als “eine Vereinbarung, eine Mitteilung oder ein anderes Instrument oder eine andere Maßnahme mit ähnlicher Wirkung, auch wenn sie bzw. es im Zuge einer Steuerprüfung erteilt bzw. getroffen, geändert oder erneuert wird”. In ihrer Reaktion auf die Vorwürfe argumentiert die Luxemburger Regierung nun, dass die Informationsbriefe nicht dem Kleingedruckten der Richtlinie entsprächen. Sie weist die Anschuldigungen daher als haltlos zurück. Die Praxis an sich leugnet sie nicht. Sie besteht aber darauf, dass etwaiger Schriftverkehr unilateraler Natur wäre und keinesfalls als eine Vereinbarung verstanden werden könne, die für die Steuerbehörde bindend sei. Allerdings ist dem internationalen Rechercheteam bisher kein Fall bekannt, in dem die luxemburgischen Behörden ein Steuervermeidungskonstrukt angefochten haben, das vorher in einem Informationsbrief dargelegt worden war.

Das internationale Rechercheteam bestand aus Mitarbeitenden von der Süddeutsche Zeitung, Le Monde, El Mundo, Woxx und dem Investigative Reporting Project Italy. Auch das Tax Justice Network und The Signals Network waren involviert.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Die neuen Enthüllungen sind entlarvend. Die internationale Recherche zeigt: Luxemburg hat nach dem LuxLeaks Skandal einfach im Verborgenen weitergemacht. Luxemburgs Haltung in Steuerfragen hat sich trotz etlicher Skandale kaum verändert. Wenn die Finanzämter nicht vorbehaltlos über Grenzen hinweg kooperieren, wird auch eine globale Mindeststeuer nur begrenzt wirksam sein. Wir brauchen einen neuen Geist der Steuerkooperation, der die historische OECD-Einigung mit Leben füllt. Die abweisende Reaktion der luxemburgischen Regierung verstärkt den Eindruck, dass sie es an loyaler Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten mangeln lässt.

Da die Praxis bisher im Verborgenen stattfand, kennen wir die ökonomischen Schäden noch nicht. Ich fordere umfassende Transparenz von der luxemburgischen Regierung über das Ausmaß dieser Praxis. Deutschland und Frankreich sind besonders betroffen. Die geschädigten Nachbarländer haben ein Recht auf vollständige Aufklärung. Das formalistische Dementi der luxemburgischen Regierung ist nicht akzeptabel und unglaubwürdig angesichts der Quellenlage.

Luxemburgs Geheimniskrämerei zu informellen Steuervorbescheiden ist gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Das Großherzogtum umgeht Vorgaben zum automatischen Informationsaustausch sowohl in der EU als auch auf OECD-Ebene. Dieses unredliche Verhalten ist nicht mit dem Prinzip der loyalen Zusammenarbeit im EU-Vertrag vereinbar.

Die LuxLetters werde ich zum Thema der nächsten Plenardebatte zur Steuerkooperation zwischend den Mitgliedstaaten machen und entsprechende Änderungsanträge im Europaparlament einbringen. Im März 2021 hat das EU-Parlament auf mein Drängen hin bereits eine ausdrückliche Pflicht zum europaweiten Austausch von informellen Vereinbarungen gefordert. Ich hatte bereits von dieser Praxis zwischen nationalen Steuerbehörden und multinationalen Unternehmen gehört, mit den LuxLetters haben wir nun die traurige Gewissheit. Ich fordere die Kommission auf, unverzüglich eine Untersuchung der aufgedeckten Praktiken einzuleiten.”

Stellungnahme der luxemburgischen Regierung zu den neuesten Enthüllungen: https://gouvernement.lu/en/dossiers/2021/luxletters.html

FAQ Dokument der luxemburgischen Regierung zu Steuervorbescheiden: https://gouvernement.lu/dam-assets/fr/dossiers/luxletters/10297-ME-luxletters-FAQ-Rulings-EN.pdf

Starke Parlamentsposition: Zusammenarbeit in Steuerfragen nicht nur im digitalen Raum verbessern (März 2021) https://sven-giegold.de/starke-parlamentsposition-mehr-zusammenarbeit-in-steuerfragen/ Umfassender Austausch von Steuervorbescheiden (“tax rulings”): Alle relevanten, grenzüberschreitenden Steuervorbescheide und Vereinbarungen zur steuersparenden Verrechnung von Gewinnen innerhalb eines multinationalen Unternehmens sollen in Zukunft ausgetauscht werden. Um das zu gewährleisten, muss der Informationsaustausch auf informelle Vereinbarungen mit den Finanzämtern sowie inländische Steuervorbescheide ausgeweitet werden. Nur so kann unfairer Wettbewerb in Europa verhindert werden.

Mein Bericht zur Zusammenarbeit der Steuerbehörden in Europa: Note: Mangelhaft – Europas Staaten kooperieren unzureichend um Steuermilliarden einzutreiben: https://sven-giegold.de/europas-staaten-kooperieren-unzureichend-in-steuerfragen/

Link zur dritten Erweiterung der EU-Richtlinie über die Zusammenarbeit der Steuerbehörden (DAC3): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015L2376&from=en

Das OECD Global Forum: Automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen ausweiten: https://sven-giegold.de/oecd-global-forum-informationsaustausch-ausweiten/

Was würde mehr Steuergerechtigkeit bedeuten? Mein (Alb-)Traum in Zahlen https://sven-giegold.de/steuergerechtigkeit-albtraum-in-zahlen/

P.S.: Eil-Petition: EU-Agrarpolitik darf die Klimakrise nicht weiter anheizen, Agrarwende jetzt! – In Brüssel steht in diesen Wochen eine der wichtigsten Entscheidungen für den Klima- und Umweltschutz an: Es geht um die Zukunft der EU-Agrarpolitik. Doch im Rat der Mitgliedsländer blockiert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Agrarwende für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Helft mit diese Blockade zu beendet und unterzeichnet unsere Eil-Petition hier: www.change.org/agrarwende-jetzt 

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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