Sven Giegold

Naturschutz: Blumenwiesen verschwinden – Klage gegen Deutschland rückt näher

Natur Natura2000, Blumen, Wiese, Artenvielfalt. Biodiv

Liebe Freundinnen und Freunde,

Liebe Interessierte,

auf unseren Wiesen ist es still geworden. Wo früher Insekten sirrten und Vögel zwitscherten, herrscht heute oft nur Stille. Der Grund: Die artenreiche Blumenwiese verschwindet. Was früher ein artenreicher Lebensraum für viele Insekten und Vogelarten war, ist heute oft ein totgedüngter Grasacker. Statt vieler Gras- und Blumenarten wächst auf diesem Ackerland nur noch eine Grasart. Andere Flächen sind umgewandelt in Äcker oder vergiftet durch Pestizide. 15% der Fläche Deutschlands sind in Natura-2000-Gebieten besonders geschützt. Dies beinhaltet auch mehr als 2000 Wiesen und Weiden, auf denen wildlebende heimische Pflanzen- und Tierarten bewahrt werden sollen. Heute sind 80 Prozent der in Natura-2000-Gebieten geschützten Lebensräume auf Wiesen und Weiden in Gefahr, 35 Prozent sogar von vollständiger Vernichtung bedroht. Dabei hat Deutschland sich verpflichtet, diese Lebensräume zu schützen. So haben es die EU-Staaten – mit der Zustimmung Deutschlands – in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie bereits im Jahr 1992 beschlossen. Vor bald 20 Jahren!

Um den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten und EU-Recht durchzusetzen, schritt die EU-Kommission in 2019 ein und startete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung. Dieses Verfahren wurde vom Naturschutzbund NABU mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission angestoßen. Es geht also direkt auf das Engagement aus der Zivilgesellschaft zurück. Inmitten der deutschen Ratspräsidentschaft rückt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland nun näher. Die EU-Kommission schickte am vergangenen Freitag Deutschland eine letzte Mahnung, endlich den Schutz der Blumenwiesen zu verbessern und damit den Verpflichtungen aus der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie nachzukommen. Die EU-Kommission kritisiert insbesondere die Verschlechterung des Zustandes von Mähwiesen, die Lebensraum für bestäubende Insekten, Bienen und Schmetterlinge sind.

Die Gründe für den Verlust der Blumenwiese sind vielfältig, aber sie alle sind zurückzuführen auf eine intensive Landwirtschaft. Überdüngung, Pestizide, Entwässerung und die Umwandlung in Ackerflächen vernichten Lebensräume für Insekten und Vögel. Viele engagierte Landwirt*innen zeigen jeden Tag, dass es anders geht, trotz des enormen Drucks durch Preiskampf und Exportorientierung. Der Artenverlust kann mit einer nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft aufgehalten werden. Dies zu fördern, muss eine Priorität für die Bundesregierung sein – um diese Landwirt*innen zu unterstützen und die Artenvielfalt zu schützen. Leider macht die Bundesregierung keine ernsthaften Anstrengungen. Im Gegenteil, sie blockiert europäische Lösungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Die Bundesregierung hat nun zwei Monate Zeit, um auf das Schreiben der EU-Kommission zu reagieren. Andernfalls kann die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Dann drohen teure Strafzahlungen. Wir Grüne werden im Europaparlament die Zivilgesellschaft und EU-Kommission in ihren Anstrengungen für den Erhalt der artenreichen Blumenwiesen mit aller Kraft unterstützen. Wir brauchen endlich eine nachhaltige Agrarwende! Damit es auf unseren Wiesen in Zukunft wieder sirrt, zirpt und zwitschert.

Mit grünen europäischen Grüßen

Sven Giegold

P.S.: Webinar “Deregulation For Future?” zur Finanzmarktregulierung während und nach der Pandemie mit Spitzen-Ökonom*innen William White und Daniela Gabor. Dienstag, 10. November 2020, 20-22 Uhr. Gleich hier anmelden!

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Link zur Pressemitteilung der EU-Kommission zum Vertragsverletzungsverfahren: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/INF_20_1687

Hintergrund zur Beschwerde des NABU: https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/artenvielfalt/lebensraum/28000.html

Mein Newsletter zur katastrophalen neuen Gemeinsamen Agrarpolitik: https://sven-giegold.de/gap-endabstimmung/

Rubrik: Brüssel, Klima & Umwelt

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