Gestern Abend befragten drei zuständige Ausschüsse des Europaparlaments Günther Oettinger in einem ‘Meinungsaustausch’ zu seinen Kompetenzen im Bereich EU-Haushalt und Personal. Die Anhörung war mit besonders großer Spannung erwartet worden, nachdem zusätzlich zur „Schlitzaugen“-Rede und seinem undeklarierten Lobbyflug zu Victor Orban Oettinger seine neue Funktion innerhalb der Kommission schon vor der Anhörung von Juncker übertragen wurde.
Am Donnerstag beschließt die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden die Schlussfolgerungen des Parlaments aus der Anhörung. Während Oettinger sein Amt als Kommissar für Haushalt und Personal schon seit 1. Januar ausübt, muss Juncker noch entscheiden, ob Oettinger auch Vizepräsident der Kommission werden soll.
Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss, kommentiert:
“Günther Oettinger erwies sich in der Anhörung nur als bedingt einsatzbereit. Selbstverständlich sollten wir seine klare Entschuldigung für die verbalen Ausfälle in Hamburg akzeptieren, selbst wenn sie erst gestern in dieser Klarheit reichlich spät war. Fachfragen zur Haushaltspolitik absolvierte Oettinger souverän. Zu Personalfragen hat er dagegen keine besonderen Qualifikationen vorzuweisen.
Uneinsichtig zeigte sich Oettinger bei seinem Umgang mit Lobbyisten. Er verteidigte stur, dass er bislang zu 90 Prozent Industrie-Lobbyisten getroffen hat und nur zu 10% Gewerkschaften und Zivilgesellschaft. Ihm fehlt das Problembewusstsein für die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Übermacht von Interessen finanzstarker Lobbyisten. Es brauchte Fragen von Abgeordneten aus vier Fraktionen, bis Oettinger eine Schärfung der Regeln für Lobbytreffen zusagte.
Gleichzeitig existiert gerade in den sozialen Netzwerken ein Ressentiment geladenes Zerrbild über Oettinger, das ich nicht teile.
Junckers Ernennung von Oettinger noch vor der Anhörung war ein Schlag ins Gesicht des Parlaments. Oettinger mag als Haushaltskommissar geeignet sein. Seine Eignung als Vizepräsident und als Personal-Kommissar steht jedoch in Frage.”