Das Europaparlament hat heute mit breiter Mehrheit die Richtlinie für nationale und regionale Statistikkonten (ESA) verabschiedet. Dieser Gesetzestext enthält Regeln für die zukünftige Arbeit der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Ein zentraler Punkt sind die Maßstäbe, nach denen mögliche Schulden (“Eventualverbindlichkeiten”) aus Pensions- und Rentenverpflichtungen oder Public-Private-Partnerships (PPPs) statistisch verarbeitet und damit für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament kommentiert das Abstimmungsergebnis:
„Die heute verabschiedete ESA-Richtlinie ist ein begrüßenswerter Schritt nach vorne. Das neue Regelwerk bringt Licht ins statistische Zahlendickicht. Sie schafft damit mehr Transparenz für Bürgerinnen und Bürger und ermöglicht eine realistischere Erfassung von Staatsschulden.
Durch energisches Verhandeln hat eine breite Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen eine Blockade der Mitgliedsstaaten im Rat überwunden. Die Regierungen, mit Deutschland an der Spitze, waren gegen eine realistische und effektive Erfassung der Staatsschulden. Ab 2014 sind die Mitgliedsstaaten jetzt verpflichtet, Daten, u.a. zu staatlichen Garantien an den privaten Sektor (z. B. Garantien für Banken) und andere öffentliche Einheiten sowie Pensionsverpflichtungen, an Eurostat zu übermitteln. Die Europäische Statistikbehörde wird diese Informationen auswerten und jährlich veröffentlichen. Auf Grüne Initiative wird Eurostat bis 2014 einen Bericht vorlegen, der mögliche Folgekosten der Mitgliedsstaaten aus öffentlich-privaten Partnerschaften (Public-Private-Partnerships (PPPs)) unter die Lupe nimmt. Dieser Schritt bringt Licht in die Schattenhaushalte der Mitgliedsstaaten und ist dringend notwendig.
Die neuen Maßnahmen legen zentrale Elemente des statistischen Fundaments für das strenge Schuldenregime in der EU („Sixpack“). In der Krise sind die Anreize für die EU-Länder noch gestiegen, „kreative Buchführung“ zu betreiben und Verbindlichkeiten, so gut es geht, statistisch zu verschleiern und aus den offiziellen Haushalten herauszuhalten.
Trotz der Fortschritte bei ESA bleibt noch viel zu tun. Zentral ist die Frage, wie mögliche PPP-Folgekosten zukünftig nicht nur offengelegt, sondern auch genauer erfasst werden können. Die Initiative der Kommission zur Bewertung des Nutzens einer EU-weiten Einführung des IPSAS-Buchhaltungssystems ist bereits das nächste Aktionsfeld im Ringen um eine ehrlichere Schuldenstatistik. IPSAS ermöglicht Mitgliedsstaaten bessere Vorsorge gegen finanzielle Risiken aus PPPs zu treffen. Wenn Deutschland und die Mitgliedsstaaten es mit ihren Sparbemühungen ernst meinen, führt an der weiteren Verbesserung der Schuldenstatistik kein Weg vorbei: Effektiver Schuldenabbau gelingt nur mit präzisen, ehrlichen Statistiken.“
Einen Meinungsbeitrag von Sven Giegold zur Erfassung von Staatsschulden gibt es hier.
Weitere Informationen zu Blockade einer ehrlicheren Schuldenstatistik durch Deutschland gibt es hier.
Hier Informationen der Europäischen Kommission zur Eignung der IPSAS-Regeln für die Mitgliedsstaaten.