Die Europäischen Regierungschefs haben gestern den Luxemburger Yves Mersch zum Mitglied des sechsköpfigen Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) ernannt. Damit haben sie sich über die Entscheidung des Europäischen Parlaments hinweg gesetzt, das den Kandidaten Ende Oktober mehrheitlich abgelehnt hatte, weil trotz mehrfacher Aufforderung keine weibliche Kandidatin in die Auswahl einbezogen wurde.
Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament kommentiert die Entscheidung:
Das gesamte Verfahren ist ein Affront gegen das Europäische Parlament und gegen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Das Parlament hat den Rat mehrfach und frühzeitig dazu aufgefordert, bei der Besetzung eine Frau zu berücksichtigen. Dies ist nicht geschehen, obwohl es genügend qualifizierte Kandidatinnen gibt.
Stattdessen haben sich die Mitgliedsstaaten über das Votum des Parlaments hinweggesetzt. Das EZB-Direktorium wird voraussichtlich bis 2018 nur mit Männern besetzt sein. Das ist peinlich und widerspricht den Bekenntnissen zu mehr Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit.
Die Ernennung sollte dann sogar ohne erneute Diskussion in einem schriftlichen Verfahren über ein verlängertes Wochenende durchgedrückt werden. Darüber hat sich der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz in einem Brief empört und zu einem offenen Prozess aufgerufen. Durch ein Veto Spaniens wurde das schriftliche Verfahren gestoppt.
Im Rahmen des EU-Sondergipfels hat der Rat Mersch jetzt ernannt, ohne dabei auf die Argumente des Parlaments einzugehen. Das einzige direkt gewählte europäische Organ hat Mersch abgelehnt. Seine Legitimation im EZB-Direktorium ist nun deutlich geschwächt.
Den Brief von Martin Schulz an den Ratspräsidenten gibt es hier:
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2012/11/Schulz-Van-Rompuy-2012-11-07-2.pdf
Die Pressemitteilung des Rates zur Ernennung von Mersch hier:
http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/133703.pdf