Sven Giegold

RP: „Wir müssen mit der Führung in Kiew kritisch umgehen“

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Der grüne Europa-Parlamentarier Sven Giegold spricht über mögliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland und EU-Hilfen für die ukrainische Regierung.

 

Herr Giegold, brauchen wir in der Ukraine-Krise eine härtere Gangart des Westens gegenüber Russland?

Giegold Selbstverständlich darf sich der Westen und insbesondere die EU eine Politik, die eine Destabilisierung der Ukraine anstrebt, nicht gefallen lassen. Und deshalb müssen wir jetzt auch bereit sein zu weiteren Sanktionen. Allerdings ist dabei Augenmaß erforderlich und eine enge Abstimmung mit den EU-Partnern. Wir unterstützen grundsätzlich den Kurs von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der bisher auf eine gute Balance zwischen Druck auf Moskau und Unterstützung für Kiew setzt.

Sie würden auch harte Wirtschaftssanktionen befürworten?

Giegold Ja. Wenn Russland weiterhin nichts tut, um deeskalierend auf die pro-russischen Separatisten in der Ost-Ukraine einzuwirken, droht uns dort ein Bürgerkriegsszenario. Dabei dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Das ist ein Moment europäischer Verantwortung, wo nicht die erste Frage sein darf: Was kostet uns das? Und im Übrigen ist ja nicht einmal ausgemacht, ob die Rückwirkung möglicher Wirtschaftssanktionen auf die EU wirklich so groß ist. Ich glaube, in einer solchen Auseinandersetzung hätte Russland sehr viel mehr zu verlieren als wir.

Aber sitzt Wladimir Putin nicht wenigstens kurzfristig am längeren Hebel, genauer gesagt: am Gashahn?

Giegold Kurzfristig droht uns da erst einmal gar nichts. Niemand muss Angst haben, dass seine Heizung kalt wird oder dass Fabriken runterfahren müssen. Wir haben bedeutende Reserven. Und technisch ist es sogar möglich, Lieferausfälle in Osteuropa teilweise durch eine Belieferung aus dem Westen zu kompensieren. Allerdings müssen wir diese Kapazitäten ausbauen, um unsere Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern.

Sollen wir der Ukraine jetzt helfen, indem wir sie in die EU aufnehmen?

Giegold Ein EU-Beitritt steht ja erst einmal überhaupt nicht zur Debatte, auch wenn ich glaube, dass man dem Land langfristig eine solche Perspektive nicht verweigern darf. Nein, was jetzt schnell passieren muss, ist der Abschluss des geplanten Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine. Das wäre ein Signal, das auch Herr Putin versteht. Allerdings müssen wir gleichzeitig darauf drängen, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine beachtet werden. Ich hielte es für einen verhängnisvollen Fehler, wenn wir Defizite in diesen Punkten aus falsch verstandener Solidarität bemänteln würden. Wir müssen auch mit der Führung in Kiew durchaus kritisch umgehen.

MATTHIAS BEERMANN UND MARTIN KESSLER FÜHRTEN DAS INTERVIEW. (5. Mai 2014)

Rubrik: Unkategorisiert

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