Sven Giegold

Spitzenkandidaten sind der Europa-Test für die mögliche neue GroKo

Jean-Claude Juncker hat heute Vorschläge der EU-Kommission an die Staats- und Regierungschefs vorgelegt, wie die EU-Institutionen noch vor den Wahlen zum Europaparlament 2019 demokratischer werden können. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich am 23. Februar, um ihre Position zu institutionellen Reformen und Demokratie in Europa zu beraten.

Dazu sagt Sven Giegold, Berichterstatter für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen im Europäischen Parlament:

“Die Spitzenkandidaten sind der Europa-Test für die mögliche neue Große Koalition. Es braucht jetzt ein positives Signal von der Bundesregierung. Merkel sollte ihr Schweigen brechen und dem Spitzenkandidatenprozess ihre Unterstützung zusagen. Die Bundesregierung ist mitverantwortlich für eine Europawahl, die hält was sie verspricht. Das klare Bekenntnis von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker heute für Spitzenkandidaten bei der Europawahl sollte ein Weckruf für die Koalitionäre in Berlin sein. An der Unterstützung der europäischen Spitzenkandidaten zeigt sich, was die schönen Worte zur Stärkung des Europaparlaments im Koalitionsvertrag wert sind. Das Versprechen an die Wählerinnen und Wähler, mit den Spitzenkandidaten der europäischen Parteienfamilien ihren nächsten Kommissionspräsidenten zu wählen, darf nicht ausgehöhlt werden. Dafür müssen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem nächsten Treffen ihre Unterstützung für den Spitzenkandidatenprozess signalisieren.

Die 2015 begonnene Reform des Europäischen Wahlrechts muss bis Mai 2018 abgeschlossen werden. Es ist gut, dass die Kommission die Reform bald abschließen will, wie schon der Rat der Mitgliedstaaten letzte Woche im Europaparlament signalisiert hat. Ein gemeinsamer europäischer Wahlkreis für transnationale Listen würde mehr Fortschritt für Europa bedeuten als eine Prozenthürde von 3 oder 5 Prozent, wie die Kommission sie erneut aufgreift.

Der Wettkampf von Kommissionspräsident Juncker und dem französischen Präsidenten Macron um die Frage, wer mehr Bürgerdialoge veranstaltet, ist amüsant. Es kommt nicht auf die Zahl der Bürgerdialoge an, sondern auf die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger an. An den Dialogforen beteiligen wir uns gerne. Der Demokratie ist aber besser gedient, wenn der Rat der Mitgliedstaaten künftig die Positionen der einzelnen Regierungen bei Verhandlungen über neue EU-Gesetze öffentlich macht. Dies hat die EU-Ombudsfrau gestern zu Recht vom Rat gefordert. Denn öffentlich diskutieren, kann man nur, was transparent ist”

 

HINTERGRUND

Empfehlung der EU-Kommission zur Europawahl 2019: https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/recommendation-enhancing-european-nature-efficient-conduct-2019-elections_en.pdf

Mitteilung der EU-Kommission für effizientere EU-Institutionen: https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/communication-institutional-options-for-making-the-european-union-work-more-efficient_en.pdf

In der Mitteilung erwähnt die EU-Kommission auch Prozenthürden für die Europawahl:

“A key proposal was for a threshold of between 3 and 5 percent of votes cast for single constituency Member States and constituencies of more than 26 seats with a list system. Such thresholds help reduce political fragmentation in the resulting Parliament, which makes decision-making more efficient. Due consideration needs to be given to ensuring representation of diverse opinions and respect for different Member States‘ traditions in deciding on this proposal.”

Rubrik: Demokratie & Lobby, Unkategorisiert

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