Sven Giegold

Mehr Frauen für das „Team Europa“

Mehr Frauen für das „Team Europa“

Die Geschlechterparität muss bei der Besetzung der mehr als 30 EU-Spitzenpositionen berücksichtigt werden, das wollen die maßgeblichen Fraktionen im Europaparlament sicherstellen

Wer wird die nächste Präsidentin oder der nächste Präsident der Europäischen Kommission? Zurzeit konzentriert sich die Debatte auf einen Namen. Allerdings müssen über 30 Positionen der Europäischen Union besetzt werden: die 27 anderen Kommissarinnen und Kommissare einschließlich der Hohen Repräsentantin oder des Hohen Repräsentanten der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die Präsidentschaft des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments. Ebenso müssen die Ausschussvorsitzenden und die Fraktionsvorsitzenden bestimmt werden.

Wer jetzt gewählt wird, um Europa voranzubringen, übernimmt eine große Verantwortung: Es gilt sicherzustellen, dass trotz schwieriger Voraussetzungen die Wirtschaft neu belebt wird und die Bürgerinnen und Bürger in Europa und darüber hinaus erneut Vertrauen fassen.

Das nächste „Team Europa“ muss deswegen aufgrund der persönlichen Qualifizierung jedes Einzelnen ausgewählt werden und gleichzeitig die Wahlergebnisse und die geografische Vielfalt repräsentieren. Für uns ist es ebenfalls sehr wichtig, dass dieses Team auch insofern ausgewogen ist, als dass eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen dabei ist. Die Mitgliedsstaaten scheinen diese Anforderungen bereits mehr zu beachten als früher, und dafür gebührt ihnen unser Applaus.

Es reicht nicht

Es reicht nicht, der jungen Malala Yousafzai, die wegen ihres Wunsches nach Schulbildung angegriffen und schwer verletzt wurde, den Sacharow-Preis zu verleihen. Es reicht ebenfalls nicht, sich darüber aufzuregen, wenn junge Mädchen verschleppt und entführt werden, um sie von Schulbildung fernzuhalten. Die beste Antwort auf diesen Fanatismus, der die Hälfte der Weltbevölkerung degradiert, ist konkretes Handeln.

Starke Botschaft

Die Geschlechtergerechtigkeit bei den Spitzenpositionen der europäischen Institutionen zu berücksichtigen würde eine starke Botschaft in die ganze Welt aussenden – und an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Europas, die immer noch Männer für die gleiche Arbeit besser bezahlen als Frauen. Es würde zudem signalisieren, dass die Politik die Prinzipien, die sie der Wirtschaft für ihre Vorstände auferlegen will, auch selbst achtet.

Geschlechterparität steigert zudem die Chancen auf mehr Effizienz: Größere Personalauswahl ergibt eine breitere Vielfalt an Bewerberinnen und Bewerbern. Es gibt heute eine ausreichend große Anzahl von hoch qualifizierten und erfahrenen Frauen. Frauen stellen heute die Mehrheit der Hochschulabsolventinnen und -absolventen.

Letztlich ändert Parität auch das Image einer Institution. Die EU-Institutionen werden häufig als „abgehoben“ wahrgenommen. Europas Bürgerinnen und Bürger können sich nicht mit ihnen identifizieren. Ein kurzer Blick auf die Gruppenfotos der europäischen Führungsriege zeigt, warum. Als in der letzten Legislaturperiode das Plenum des Europaparlaments einen Kandidaten ablehnte, der dazu geführt hätte, dass Direktorium und Rat der Europäischen Zentralbank ausschließlich aus Männern bestünde, sprach das Bild der 23 Männer in Anzug und Krawatte Bände.

Auf Parität achten

Wenn die Zeit gekommen ist, dass wir das „Paket“ der neuen Kommissare und Kommissarinnen bestätigen sollen – alle müssen sich einer Anhörung im EU-Parlament stellen – werden wir sicherstellen, dass die Parität geachtet wird, genauso wie wir uns das auch im Europäischen Parlament wünschen.

Die beste Lösung wäre, wenn jedes Mitgliedsland zwei hoch qualifizierte Personen vorschlägt – eine Frau und einen Mann. Das ist nicht nur eine wichtige Frage für Frauen, es ist die Chance, eine gerechte Gesellschaft und ein stärkeres Europa zu bauen.

Sylvie Goulard, ALDE, FR

Sven Giegold, Greens, DE

Sophie In’t Veld, ALDE, NL

Othmar Karas, EPP, AT

Alessia Mosca, S&D, IT

 

Der Artikel erschien in verschiedenen europäischen Medien, u.a.:

DER STANDARD, 26.6.2014

The European Voice, Les Echos, Corriere della Sera und Le Soir