Sven Giegold

Rechtsstaatlichkeit: Die EU-Kommission schaut nur mit einem Auge hin

Die EU-Kommission hat heute zum ersten Mal ihren Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedsstaaten vorgestellt. Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Es ist ein wichtiger Fortschritt, dass die Rechtsstaatlichkeit in jedem EU-Land systematisch untersucht wird. Wichtig ist nun, dass die festgestellten Mängel Konsequenzen haben. Endlich findet die EU-Kommission klare Worte zu den Rechtsstaatsbrüchen und Korruption in Malta. Aber: Das Papier wird den Abbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht aufhalten. Die EU-Kommission muss nun Vertragsverletzungsverfahren gegen die Rechtsstaatsbrecher einleiten. Die Vergabe von EU-Geldern muss an einen starken Rechtsstaatlichkeitsmechanismus gebunden werden.

Leider schwächt die EU-Kommission durch Mängel ihres Messinstruments die Wirkung ihrer Arbeit. Die EU-Kommission schaut nur mit einem Auge auf die Mitgliedsstaaten. Die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit darf nicht isoliert von Demokratie und Grundrechten getrennt werden. Doch die Wahrung von Grundrechten und demokratischen Prinzipien hat die EU-Kommission nicht untersucht, obwohl das Europaparlament genau das gefordert hatte. Auf der Check-Liste der EU-Kommission fehlen etwa die Integrität von Wahlen und die Parteienfinanzierung, aber auch Grundrechte für Minderheiten wie z.B. die Roma oder die LGBTIQ-Community. Die EU-Kommission beurteilt Europas Grundwerte mit eingeschränktem Sichtfeld. Das ist so, als wenn der TÜV nur den Motor, aber nicht die Lenkung eines Wagen überprüfen würde. Als Europaparlament haben wir eine umfassendere Check-Liste gefordert. Der Bericht der EU-Kommission ermöglicht auch keinen systematischen Vergleich der Länder. Die 27 Länderberichte stehen nebeneinander, ohne jede Visualisierung der Ergebnisse.”

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