Heute verabschiedete das Plenum des Europäischen Parlaments mit einer Mehrheit aus Christdemokraten, Liberalen und Grünen einen Verordnungsentwurf über eine Klassifizierung (Taxonomie) nachhaltiger Geldanlagen, während die Sozialdemokraten sich enthielten. Diese einheitliche Klassifizierung legt Kriterien fest, welche Finanzprodukte und Investitionen sich als “nachhaltig” im ökologischen Sinne deklarieren dürfen.
Bei der Abstimmung der zuständigen Ausschüsse für Wirtschaft und Währung (ECON) und Umwelt (ENVI) vorletzte Woche hat auf Initiative von Abgeordneten der Christdemokraten und der Rechtskonservativen eine knappe Mehrheit gegen eine Verschärfung des Vorschlags der EU- Kommission gestimmt. Damit votierten sie gegen die ehrgeizigen Vorschläge eines Grünen und einer Christdemokratin als Ko-Berichterstatter. Sie wollten umweltschädliche Wirtschaftsbereiche explizit aus grünen Finanzprodukten ausschließen und die Regeln nicht nur auf bereits als nachhaltig vermarktete, sondern auf alle Finanzprodukte ausweiten.
Heute votierte die Mehrheit der Abgeordneten für einen verbesserten Text. Zusätzlich zum Ausschussergebnis haben wir erreicht, dass feste fossile Brennstoffe (Kohle), Atomkraft und Gasinfrastruktur nie als nachhaltig bezeichnet werden dürfen. Außerdem müssen Anbieter nachhaltiger Finanzprodukte die höheren Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen sicherstellen, statt nur die schwächeren von der Kommission vorgeschlagenen Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Greenwashing wird erschwert durch die Voraussetzung für Anbieter grüner Finanzprodukte, auch wirklich in nachhaltige Anlagen zu investieren und dies offenzulegen.
Weiterhin bleibt die Anwendung der Taxonomie leider auf die grüne Nische beschränkt, statt wie von uns gefordert auf alle Bereiche angewendet zu werden. Immerhin müssen Anbieter nicht-nachhaltiger Finanzprodukte warnen, dass ihr Produkt keine nachhaltigen Kriterien erfüllt. Die Auseinandersetzung um die Anwendung der Taxonomie muss nun Finanzsektor für Finanzsektor weiter geführt werden. Auch die von Sozialdemokraten und Grünen geforderte soziale Taxonomie ist nicht Teil des heutigen Beschlusses. Der heutige Beschluss stellt die Verhandlungsposition des Europaparlaments für die anstehenden interinstitutionellen Verhandlungen mit Ministerrat und EU-Kommission dar.
Dazu sagt der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
“Diese Taxonomie macht Finanzmärkte sicherer und nachhaltiger. Damit wird der Finanzsektor einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens leisten. Der Ausschluss von Kohle aus grünen Finanzprodukten und die Verpflichtung von Anbieter*innen transparent in wirklich nachhaltige Anlagen zu investieren, wird Greenwashing erheblich erschweren. Nur so kann der junge Markt grüner Finanzprodukte das Vertrauen der Anleger*innen gewinnen und florieren. Vertrauensbildend sind auch die Verpflichtung von Anbietern nachhaltiger Finanzprodukte auf die starken Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen.
Wollen wir die Finanzmärkte grundlegend auf steigende Umweltrisiken vorbereiten, so reicht es langfristig nicht, nur die grüne Nische zu regulieren. Das müssen auch Christdemokraten und Konservative einsehen. Dass sie eine soziale Taxonomie verhindert haben ist ein Zeichen von Rückwärtsgewandtheit. Hier sollte die Kommission schnell nachlegen und neben der ausstehenden sozialen Klassifizierung auch alle Finanzmittel einbeziehen. Nachhaltiges Investieren sollte nicht mehr die Ausnahme sein, sondern zur Norm werden. Investitionen von heute bestimmen, wie nachhaltig unsere Wirtschaft in dreißig Jahren sein wird. Wir werden für die Anwendung der Taxonomie in weiteren Finanzsektoren unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips streiten. Wir Grünen lassen nicht locker, bis der Finanzmarkt nachhaltig wird. Der Ministerrat muss jetzt zügig seine Position festlegen, damit die neue Klassifikation bald schon für grünere Finanzmärkte wirken kann.”
Link zum Bericht, wie er zur Abstimmung vorgelegt wurde, und zu den vom Grünen Berichterstatter Bas Eickhout eingereichten Änderungsanträgen:
http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0175_DE.pdf
http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0175-AM-058-067_DE.pdf
http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0175-AM-068-073_DE.pdf
http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0175-AM-074-078_DE.pdf