Sven Giegold

Ungarn: Innenausschuss des Europaparlaments fordert Rechtsstaatsverfahren gegen Viktor Orbans Regierung

Soeben hat der Ausschuss des Europäischen Parlaments für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) zum ersten Mal einen Bericht beschlossen, um dem Rat formell ein Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag wegen Verletzung der europäischen Werte durch einen Mitgliedstaat vorzuschlagen. Im brechend vollen Saal mit einigem Aufruhr und vielen Kameras haben für den Bericht Grüne, Sozialdemokraten, Liberale, Linke und Teile der Christdemokraten sowie die italienische Fünf-Sterne-Bewegung gestimmt (37 Stimmen). Gegen den Bericht eine fragwürdige Allianz anderer Christdemokraten, der Rechtskonservativen aus Polnischer PiS und britischen Tories sowie der Rechtspopulisten (19 Stimmen). Entgegen üblichen Gepflogenheiten übernahmen einige Nicht-Mitglieder des LIBE-Ausschusses von Orbans Fidez-Partei die Abstimmung für fehlende christdemokratische Kollegen. Der Entwurf der Grünen Berichterstatterin des Parlaments, Judith Sargentini aus den Niederlanden, wurde in der Abstimmung präzisiert, aber an wesentlichen Punkten kaum verändert. Der Text dokumentiert den Verfall von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Ungarn mit Veröffentlichungen internationaler Organisationen und Gerichte. Die wichtigsten Vorwürfe betreffen die Einschränkungen der Gewaltenteilung, vor allem des Verfassungsgerichts, mangelhafte Transparenz der Parteien- und Wahlkampffinanzierung, Korruption, Einschränkungen der Medienfreiheit und der Redefreiheit.

Der Bericht wird als nächstes im Plenum des Europaparlaments vom 10. bis 13. September abgestimmt. Danach muss der Rat der Mitgliedstaaten entscheiden, ob er der Empfehlung des Europaparlaments zur Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7 EU-Vertrag folgt. Das Verfahren kann bis zum Entzug des Stimmrechts Ungarns im Rat führen. Die EU-Kommission prüft außerdem Folgen für den Bezug von EU-Fördermitteln.

 

Dazu sagt der Sprecher der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Das Europaparlament zeigt klare Kante gegen den Verfall von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Ungarn. Wir müssen Europas Fundament schützen und die Grundwerte der europäischen Verträge verteidigen. Dabei darf es keine parteipolitischen Tabus geben. Christdemokraten in Ungarn müssen die Klarheit des Europaparlaments genauso spüren wie Liberale und Sozialdemokraten in Rumänien oder die slowakischen Sozialdemokraten.

Ich freue mich mit Judith Sargentini über diesen Erfolg. Jetzt kann man schwarz auf weiß nachlesen, welchen Demokratieverächter CSU-Politiker wie Dobrindt und Seehofer beklatschen. Der Beschluss muss den CSU-Politikern Seehofer und Söder endlich die Augen öffnen. Selbst christdemokratische Parteifreunde im Europaparlament forderten Sanktionen gegen Viktor Orbans Bruch mit dem Rechtsstaat. CSU-Politiker Seehofer und Söder dürfen nicht weiter gemeinsame Sache mit ihm machen. Das Schweigen von Merkel gegenüber Orbán muss ein Ende haben.”

 

Berichtsentwurf: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-620.837%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE

Änderungsanträge 1-67: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-622.145%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE

Änderungsanträge 68-263: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-622.146%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE

Kompromisse: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2018/06/Hungary-report_LIBE-vote_final-COMPromise-amendments.pdf

Rubrik: Demokratie & Lobby, Politik

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