Sven Giegold

Die Kernforderungen des Europaparlaments im Bericht „Steuerwesen und Entwicklung“

Das  Europaparlament hat heute seine Forderung nach ernsthafter Bekämpfung von  Steuerflucht bekräftigt. Zum ersten Mal haben sich die Europaabgeordneten so  klar  zur entschiedenen Bekämpfung von  Steuerflucht aufgerufen. Abgestimmt wurde der Bericht von Eva Joly von unseren Grünen Freunden aus Frankreich  (Steuerwesen und Entwicklung).

Gemeinsam mit Ska Keller habe ich dazu erklärt:

„Aufgrund  illegaler Kapitalflucht fließt momentan mehr Geld vom Süden in den Norden als  Entwicklungshilfe geleistet wird. Vor Ort tätige multinationale Konzerne  versteuern ihre Gewinne oft nicht in den Entwicklungsländern, sondern in  Steueroasen. Die Steuerquote in  Entwicklungsländern ist häufig viel niedriger als die in Industrieländern. Für  das Erreichen der Millennium Entwicklungsziele ist es deshalb  unerlässlich, dass sich die Steuereinnahmen der Entwicklungsländer massiv  erhöhen. Die EU hat hier ihren Teil beizutragen.

Mit dem  heute angenommenen Bericht fordert das Parlament die Kommission und  Mitgliedsstaaten auf, entschlossen gegen illegale Kapitalflucht und  Steueroasen vorzugehen. Die Kommission soll sich in internationalen Gremien  wie G20 und OECD für verbindliche Standards und einen automatischen  Informationsaustausch einsetzen. Für transnationale Unternehmen muss es ein  „country-by-country reporting“ geben, um die Transparenz über die Geldflüsse  zu erhöhen.”

Auch in  der Entwicklungshilfe der EU muss es ein Umdenken geben. Viele Unternehmen und  die Reichen des Landes entziehen sich jeglicher Besteuerung. Die  Entwicklungshilfe der EU muss den Aufbau von effizienten Steuersystemen in  Entwicklungsländern fördern.“

 

Aus dem Abgestimmten Text:

Das Europaeische Parlament:

– hebt hervor, dass die Steuerquoten in den Entwicklungsländern zwischen 10 und 20 % gegenüber 25 bis 40 % in Industrieländern liegen; bedauert, dass die Hilfestellung in Steuersachen bisher von den Gebern zu wenig gefördert worden ist;

– nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass das Steuersystem in vielen armen Ländern nach wie vor durch eine extrem schmale Steuerbasis, Steuerbefreiungen für die Elite, Körperschaftssteuervergünstigungen mit starken Anreizen für Steuerflucht dergestalt, dass besteuerte Unternehmen wirtschaftliche Beziehungen zu steuerbefreiten Unternehmen aufnehmen können, um ihre Gewinne zu verlagern, enorme Einnahmen aus Rohstoffen, die steuerlich unberücksichtigt bleiben, und umfangreiche illegale Geldflüsse im Zusammenhang mit massiver Steuerumgehung gekennzeichnet ist;

– fordert die EU nachdrücklich auf, den Kampf gegen Steueroasen und Korruption zu einer vordringlichen Aufgabe auf der Tagesordnung der internationalen Finanz- und Entwicklungshilfeinstitutionen zu machen;

– fordert die Kommission auf, eine Klausel betreffend eine verantwortungsvolle Steuerpolitik in die einschlägigen Abkommen zwischen der Europäischen Union und Drittländern einzuführen, und deren Einhaltung zu überwachen

– fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, zum Ausgleich dieser Verluste die Entwicklungsländer im Rahmen einer möglichen Unterstützung bei der Verbesserung der nationalen Steuersysteme dazu zu ermuntern, direkte progressive Einfuhrsteuern gegenüber indirekten Steuern vorzuziehen;

– fordert die Kommission daher auf, zu prüfen, ob unterschiedliche Ansätze für den Transfer von Hilfen, z. B. Beihilfen gegenüber Darlehen, dazu beitragen könnten, die möglicherweise nachteiligen Auswirkungen von Beihilfen im Hinblick auf die Erzielung von Steuereinnahmen zu beschränken oder auszugleichen,

– bekräftigt die Notwendigkeit der Ausarbeitung neuer Leitlinien für die Festlegung von Verrechnungspreisen durch die OECD, die ein wichtiges Instrument sind, um manche multinationale Konzerne von der Verlagerung ihrer Gewinne in steuerlich günstigere Länder abzuhalten und sicherzustellen, dass sie ihre Steuern in den Ländern, darunter auch in Entwicklungsländern, entrichten, in denen sie ihre Gewinne tatsächlich erwirtschaftet haben;

– fordert die EU nachdrücklich auf, innerhalb der G20 und der OECD den Grundsatz des automatischen Austausches von Informationen über Steuersachen gemäß der Zinsbesteuerungsrichtlinie der EU zu verteidigen, denn er stellt eine Möglichkeit dar, illegale Finanzflüsse in Länder mit strengem Bankgeheimnis einzudämmen;

– fordert die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, deren Einnahmen die Funktionsweise des Marktes durch eine Reduzierung der Spekulationsgeschäfte verbessern und dazu beitragen würden, globale Kollektivgüter wie die Entwicklung und die Bekämpfung des Klimawandels zu finanzieren und Haushaltsdefizite der öffentlichen Hand zu verringern; ist der Ansicht, dass eine solche Steuer auf möglichst breiter Grundlage beschlossen oder, falls dies nicht möglich ist, als erste Maßnahme auf EU-Ebene ergriffen werden sollte; fordert die Kommission auf, rasch eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, die von weltweit gleichen Wettbewerbsbedingungen ausgeht, und konkrete Legislativvorschläge vorzulegen;

– unterstreicht die Bedeutung einer nach Ländern untergliederten Rechnungslegung und fordert eine Intensivierung der diesbezüglichen Verhandlungen:

a)  Regierungen und internationale Gremien (einschließlich der G20 und der Vereinten Nationen) sollten sich für eine nach Ländern untergliederte Rechnungslegung einsetzen und den International Accounting Standards Board förmlich auffordern, eine entsprechende Vorschrift zu erlassen;

b)  die OECD sollte ihre Machbarkeitsstudie zur Einführung einer nach Ländern untergliederten Rechnungslegung weiter verfolgen und im Laufe des Jahres 2011 der G20 und den Vereinten Nationen Bericht erstatten;

c)  der International Accounting Standards Board sollte eine neue Vorschrift erlassen, die eine nach Ländern untergliederte Rechnungslegung vorsieht;

d)  die Zivilgesellschaft und die Medien sollten künftig auf die Informationen zurückgreifen, die im Rahmen einer nach Ländern untergliederten Rechnungslegung offengelegt werden, um Regierungen und multinationale Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen;

bekräftigt in dieser Hinsicht seine Besorgnis über die Tatsache, dass die internationalen OECD-Standards einen Informationsaustausch auf Antrag vorschreiben, dass es jedoch keinen automatischen Informationsaustausch gibt wie bei der Zinsbesteuerungsrichtlinie; kritisiert ebenfalls den Umstand, dass die OECD es Regierungen ermöglicht, sich der von ihr erstellten „schwarzen Liste“ allein dadurch zu entziehen, dass sie versprechen, die Grundsätze des Informationsaustauschs einzuhalten, ohne dass sichergestellt wird, dass diese Grundsätze wirksam in die Praxis umgesetzt werden; vertritt ebenfalls die Auffassung, dass die Auflage, Abkommen mit 12 weiteren Ländern abzuschließen, um von der „schwarzen Liste“ gestrichen zu werden, insofern willkürlich ist, als keine qualitativen Indikatoren für eine objektive Bewertung der Einhaltung der Praktiken des verantwortungsvollen Handelns genannt werden;

– bedauert, dass die G20 noch keinen festen Zeitplan und keinen konkreten Sanktionsmechanismus vorgeschlagen haben, mit denen der Kampf gegen Steuerparadiese wirksam geführt werden könnte; fordert zum Zweck der Zerschlagung nachteiliger Steuerstrukturen den Abschluss eines internationalen Übereinkommens, das Sanktionen sowohl für nicht kooperative Rechtsordnungen als auch für Finanzinstitutionen, die mit Steueroasen zusammenarbeiten, vorsieht; fordert die EU nachdrücklich auf, Maßnahmen ähnlich des amerikanischen Gesetzes „Stop Tax Havens Abuse Act“ gegen Steuerflucht zu ergreifen und die Möglichkeit zu prüfen, Finanzinstituten, die mit Steuerparadiesen zusammenarbeiten, die Banklizenz zu entziehen;

 

Quelle: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2011-0027+0+DOC+XML+V0//DE