Sven Giegold

Die Hersteller müssen die Kosten für die Beseitigung illegaler Abschalteinrichtungen übernehmen – EuGH-Generalanwalt eindeutig

Für Millionen Dieselfahrzeuge mit Betrugssoftware wird es bald rechtliche Klärung geben. In einem Verfahren zum Dieselskandal befand der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) heute, 23 September, dass die Abschaltung der Abgasreinigung in Diesel-Pkw unter normalen Fahrbedingungen Europarecht widerspricht. Dies gilt insbesondere bei Temperaturen, wie sie in Europa zu erwarten sind. Konkret ging es um die Abgasreinigung in einem VW Diesel-Pkw, die bei unter 15°C abgeschaltet wird. Da gerade in Mitteleuropa die Außentemperatur häufig mehrere Monate lang unter dieser Grenze liegt, fahren in Deutschland, Österreich und vielen weiteren Ländern in großen Teilen des Jahres diese Dieselautos ohne Abgasreinigung. EU-Recht schreibt jedoch vor, dass Abschalteinrichtungen unter normalen Fahrbedingungen verboten sind. Der Antrag des Generalanwalts schließt ausdrücklich auch die Softwareupdates der Hersteller ein. In den vergangen Jahren wurden viele Updates in Dieselautos aufgespielt, behoben aber nicht die illegale Abschalteinrichtung. 

Drei österreichische Gerichte hatten den EuGH gebeten, diese Frage europarechtlich zu klären. Der Antrag des Generalanwalts ist nicht bindend für das Gericht. Häufig folgen die Richter jedoch der Empfehlung des Generalanwalts. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet. 

Die Deutsche Umwelthilfe hatte im April den fortgesetzten Einsatz von Abschalteinrichtungen in Millionen von Dieselfahrzeugen in Deutschland und Europa aufgedeckt. Dafür testete die Umwelthilfe mehr als 20 Fahrzeuge unter realen Fahrbedingungen auf der Straße. Die Deutsche Umwelthilfe stellte fest, dass viele Millionen Diesel-Pkw die EU-Abgasvorschriften klar verletzen und die europäischen Grenzwerte um das bis zu 18-fache überschreiten. In zahlreichen Fällen funktionierte die Abgasreinigung bei Temperaturen unter 10°C nicht mehr. Das bedeutet, dass in vielen Teilen Europas die Abgasreinigungsanlagen über weite Teile des Jahres dauerhaft deaktiviert sind. Die Deutsche Umwelthilfe zeigte jedoch auch, dass eine Einhaltung des Grenzwertes im normalen Fahrbetrieb möglich ist: Eine Reihe aktueller Diesel-Fahrzeuge, mit der neuesten Abgasnorm hielten Dank funktionierender Abgasreinigung die Grenzwerte ein. 

Die EU-Kommission kündigte daraufhin in ihrer Antwort auf meine Beschwerde konkrete nächste Schritte im Verfahren gegen Deutschland an. 

Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, erklärt:

Die Hersteller müssen die kompletten Kosten für die Beseitigung der Abschalteinrichtungen übernehmen. Nur so können wir für saubere Luft in unseren Städten sorgen und das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat gewährleisten. Verkehrsminister Scheuer und das Kraftfahrt-Bundesamt haben zu lange abgewartet und der Automobilindustrie erlaubt, immer neue Haftungsrisiken weiter aufzubauen. So erzeugte die Automobilindustrie wirtschaftliche Probleme, die ihr nun teuer zu stehen kommen. 

Weite Teile der Automobilindustrie täuschen seit Jahren die Verbraucher und schaden unserer Gesundheit mit illegalen Abschalteinrichtungen. Der eindeutige Befund des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs zu Abschalteinrichtungen in Dieselautos muss ein allerletzter Weckruf sein. Das Abschalten der Abgasreinigung bei völlig normalen Temperaturen ist europarechtswidrig. Dennoch sind Millionen Dieselautos mit diesen illegalen Abschalteinrichtungen weiter im Betrieb. Es ist beschämend, dass die große Koalition wiederholt vom Europäischen Gerichtshof korrigiert werden muss. Denn die von Verkehrsminister Scheuer bewilligten Typengenehmigungen für Softwareupdates waren nicht rechtens.   

Sollte das Urteil des EuGH die Analyse des Generalanwalts bestätigen, muss die EU-Kommission endlich rechtliche Schritte gegen die Bundesregierung einleiten, um den Einsatz von Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen zu stoppen. Zu lange wurde abgewartet auf Kosten der Verbraucher und unserer Gesundheit.”

Mehr Informationen zum Schlussantrag des Generalanwalts:  https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2021-09/cp210162de.pdf

Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde innerhalb der letzten 2 Monaten vor der Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. In diesem Zeitraum wurde die Homepage und die zugrunde liegende IT-Infrastruktur aus Wahlkampfmitteln und nicht aus dem Parlamentsbudget finanziert.

Rubrik: Klima & Umwelt

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