Sven Giegold

Eurogruppe: Streit statt Solidarität darf nicht Europas Signal in der Coronakrise sein

Gestern trafen sich die Euro-Finanzminister zu einer Videokonferenz, um finanzpolitische Entscheidungen zur Bekämpfung der Corona-Krise zu treffen. Zur Auswahl standen vorsorgliche ESM-Kreditlinien für schwer von der Krise getroffene Euroländer, zusätzliche Liquiditätshilfen für Unternehmen durch die europäische Investitionsbank, ein Vorschlag der EU-Kommission für eine zeitlich befristete europäische Arbeitslosenrückversicherung, ein niederländischer Vorschlag für Zuschüsse zu nationalen Gesundheitsausgaben und ein französischer Vorschlag für einen Hilfsfonds, der durch Ausgabe von Anleihen Mittel für die Krisenbekämpfung in den Mitgliedstaaten aufbringen könnte. In ihren letzten beiden Videokonferenzen waren die Finanzminister zu keiner Einigung gekommen. Auch die Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrer letzten Videokonferenz keine finanzpolitischen Beschlüsse gefällt und die heiße Kartoffel wieder an die Finanzminister zurückgeschoben. Bis heute morgen kam es zu keiner Einigung. Während sich laut Pressestimmen Frankreich, Spanien und Deutschland hätten einigen können, wurde ein Kompromiss von den Niederlanden und Italien blockiert. Die Sitzung wurde inzwischen unterbrochen und wird morgen fortgesetzt.

Die Grünen im Europaparlament haben an diesem Montag ihren eigenen Vorschlag für Coronabonds vorgestellt. Sie fordern die Ausgabe von gemeinsamen Coronabonds mit langen Laufzeiten durch einen EU-Fonds in höhe von 1 Billion Euro, garantiert durch die Mitgliedstaaten, und gemeinsam eingerichtet durch Europaparlament und Ministerrat im Prozess der Ko-Gesetzgebung. Der grüne Vorschlag baut auf dem französischen Vorschlag auf und erweitert ihn um demokratische Mitbestimmung durch das Europaparlament statt im Intergouvernementalismus zu verbleiben. Die Mittel würden im Kontext der Corona-Krise Ausgaben dort ermöglichen, wo sie am meisten gebraucht werden. Zurückgezahlt werden sollen die Anleihen nach Ablauf von den Mitgliedstaaten gemeinsam, proportional zur jeweiligen Wirtschaftskraft.

Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Es ist verheerend, wenn Streit statt Solidarität das Signal der Eurogruppe zur Coronakrise ist. Die ewigen Querelen schaden dem Ruf Europas. Es kommt in den nächsten Stunden auf die Bundesregierung an. Deutschland und Europa müssen sich jetzt als solidaritätsfähig erweisen. Die Bundesregierung muss ihre Ablehnung von Coronabonds ablegen. Wenn Coronabonds vom Tisch genommen werden, droht Europa zu zerbrechen. Denn selbst in der Summe belaufen sich die anderen diskutierten europäischen Maßnahmen auf ungenügende 4% des BIP. Wir brauchen ein solidarisches Hilfspaket mit fairer Lastenteilung für die europäische Krisenbekämpfung. Es kann nicht sein, dass Olaf Scholz für Deutschland zur Bazooka greift, aber für Europa nur kleines Besteck auffahren will. Können die Euro-Finanzminister sich erneut nicht einigen, dann drängen sich Zweifel an der Existenzberechtigung der Eurogruppe auf. Gemeinsame Haftung bekämen wir nicht erst durch gemeinsame Anleihen, wir haben sie bereits heute über den ESM und die EZB.

Die Finanzminister sollten sich eines vor Augen führen: Kein europäisches Land hat diese Krise verschuldet. Es braucht jetzt eine solidarische und umfangreiche fiskalpolitische Antwort auf europäischer Ebene. Europa nähert sich dem Abgrund, wenn schwer von der Krise getroffene Länder im Stich gelassen werden. Coronabonds zur Finanzierung der gemeinsamen Krisenbekämpfung und eine gemeinsame Rückzahlung je nach wirtschaftlicher Stärke wären die richtige Antwort. Europaparlament und Ministerrat sollten Coronabonds demokratisch beschließen und anschließend gemeinsam die Verwendung der Mittel überwachen.”

Link zum Grünen Vorschlag für Coronabonds (auf Englisch): https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2020/04/20-4-06-Greens-proposal-corona-fund-signed-2.pdf

Rubrik: Brüssel, Politik, Wirtschaft & Währung

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