Sven Giegold

FinanceWatch – vom Aufruf zur Gründung

Es ist wohl einzigartig, dass die parteiübergreifend die Mehrheit eines parlamentarischen Ausschusses zur Gründung einer NGO aufruft. Entsprechend groß war die Resonanz als auf grüne Initiative 20 Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments im Sommer 2010 zur Gründung von FinanceWatch als Gegenlobby zur Finanzindustrie aufriefen. Mehrere hundert Abgeordnete nationaler und regionaler Parlamente schlossen sich an.

Gemeinsam finanzierten wir mit acht Abgeordneten aus vier Fraktionen einen Projektmanager, der die Gründung vorangetrieben hat. Diesen Juni ist es so weit: Transparency International, Europäischer Konsumentenschutzverband (BEUC), Europäischer Gewerkschaftsbund, die Kleinaktionärsvereinigung Euroshares, Attac Frankreich und vierzig weitere Organisationen gründen nun FinanceWatch.  Die Idee einer finanzmarktkritischen Gegenlobby wird Wirklichkeit. Ab Ende des Sommers wird die Organisation ihre Arbeit aufnehmen. Damit ist Zeit, die FinanceWatch in die politische Unabhängigkeit zu entlassen. ParlamentarierInnen sollten nicht über ihre eigenen Kontrolleure bestimmen. Wir werden nun nur noch in einem Beirat der ParlamentarierInnen weiterzuarbeiten.

Nichtsdestotrotz freut sich FinanceWatch über weitere UnterstützerInnen und Mitgliedsorganisationen  – ideell wie finanziell: www.callforfinancewatch.org

Die Arbeit für faire demokratische Spielregeln im Bereich des Lobbyismus und der Gesetzgebung ist einen Schritt weiter. Mehr muss folgen.

 

Aufruf für FinanceWatch (Auszug)

Wir, die für die Regulierung der Finanzmärkte und des Bankgewerbes zuständigen europäischen Abgeordneten, stehen täglich unter dem Druck des Finanz- und Banksektors, um den für die Branche geltenden Rechtsrahmen stärker zu beeinflussen.
Es ist durchaus korrekt, dass die Unternehmen dieser Branche ihre Standpunkte bekannt machen und regelmäßig mit dem Gesetzgeber Gespräche führen. Aber das Ungleichgewicht zwischen diesem Lobby und der Mangel an Gegen-Expertise erscheint uns eine Gefahr für die Demokratie. Die Lobbyarbeit einer Interessensgruppe muss in der Tat durch Stellungnahmen anderer ausgeglichen werden. … Weder die Gewerkschaften noch die NRO haben eine Expertise entwickelt, die derjenigen der Industrie Stand halten.

Wir … rufen daher die Zivilgesellschaft (NRO, Gewerkschaften, Akademiker, Think-tanks…) auf, eine oder mehrere Nichtregierungsorganisationen zu bilden, um eine Gegenexpertise zu den auf den Finanzmärkten durch die wichtigsten Marktteilnehmer ausgelösten Vorgänge zu entwickeln … und diese Erkenntnisse effizient über die Medien zu verbreiten.
Als Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher politischer Familien können wir durchaus unterschiedlicher Meinung sein, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Wir sind uns jedoch über die Notwendigkeit einig, die Öffentlichkeit auf die Gefahren für die Demokratie aufmerksam zu machen.

Wir laden alle Mitglieder des Europäischen Parlaments und der nationalen und regionalen Parlamente ein, sich dem Aufruf anzuschließen.