EU-Kommissar für Wirtschaft
Olli Rehn, der Wachstumsbeauftragte
Trotzdem sparen Vertreter aller Fraktionen nicht mit Kritik an dem 47-Jährigen, der bislang in der Brüsseler Kommission für die Erweiterung der Union verantwortlich war.“Er hat viel altes Denken offenbart und auf viele konkrete Fragen nicht oder nur sehr ausweichend geantwortet“, bemängelte etwa der deutsche Grüne Sven Giegold, dessen Fraktion der Ernennung Rehns deshalb nicht zustimmen wollte.
Auch sein sozialdemokratischer Kollege Udo Bullmann entdeckte in den Antworten, die Rehn mit nahezu stoischer Ruhe vortrug, viele „Worthülsen, die nichts Neues offenbart haben“, es fehlten vor allem „Visionen“. Und Werner Langen, der Vorsitzende der deutschen Unionsparteien im Parlament sprach von der Zustimmung seiner Gruppe für Rehn, „die wir aber mit einigen Bemerkungen verbinden“.
Nahezu alle Fragen der Abgeordneten drückten die Sorge aus, wie sich die notwendigen Anstrengungen für die Sanierung der hochverschuldeten öffentlichen Haushalte mit der unabdingbaren konjunkturellen Stimulierung der Ökonomie verbinden lassen. Aus den Antworten Rehns lässt sich Folgendes ableiten.
Gemeinsame Wirtschaftspolitik: Rehn sieht einen verstärkten Bedarf für wirtschaftspolitische Koordinierung in der Union: „Viel spricht dafür, sie zu verstärken“, sagte er. Dabei soll Brüssel die Mitgliedstaaten intensiver überwachen und deren Regierungen im Zweifel zu Korrekturen veranlassen. Das muss allerdings „partnerschaftlich“ geschehen, soll heißen, der Kommissar beabsichtigt keine Sanktionen für jene Staaten, die hinter die vereinbarten gemeinsamen Ziele zurückbleiben.
Unterschiedliche Entwicklungen in der Eurozone: Auf die Frage des Grünen Giegold, wie Rehn die unterschiedliche Entwicklungen in der Eurozone – etwa zwischen den Lohnstückkosten in Deutschland und Spanien – beurteilt, antwortete der Finne ausweichend: Es sei notwendig, in allen Ländern die Kräfte zu bündeln, „um eine wissensbezogene grüne Ökonomie zu erreichen“.
Griechenland: Rehn betonte, das hochverschuldete Land müsse durch eigene Anstrengungen die Schuldenkrise überwinden. Er äußerte Bedenken, einen „permanenten Krisenmechanismus“ einzurichten, um jenen Staaten zu helfen, denen es schwer fällt, auf den internationalen Kapitalmärkten Geld zu beschaffen.
Der künftige Kommissar lehnt es allerdings ab, Griechenland aus der Eurozone zu verweisen. Zur Überwindung der Staatsschulden müssten sich betroffene Nationen auf die Suche nach neuen Finanzierungsquellen machen. Das könnten auch private Mittel sein.
Schuldenreduzierung und Wachstum: Rehn ließ keinen Zweifel aufkommen, dass „es unerlässlich ist, die öffentlichen Finanzen nachhaltig zu sanieren“. Gleichzeitig müssten Wachstumsimpulse gesetzt werden. „Das wird schwierig“, räumte der Finne ein.
Dennoch dürften Schuldenabbau und Wachstum nicht alternativ betrachtet werden. Es sei wichtig, „einen Mix aus verschiedenen Schritten zu finden“, der die Stabilität der öffentlichen Finanzen und das Wachstum sichert. Konkreter wurde Rehn nicht.
Erweiterung der Eurozone:Der Finne sieht Estland als nächsten Kandidaten für die Übernahme der Gemeinschaftswährung. Auch den baldigen Beitritt Schwedens zur Eurozone würde er begrüßen. Allerdings würde die Entscheidung darüber in Schweden getroffen.
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