Sven Giegold

Gewerkschaften und Umweltbewegung: Helm und Halm

Artikel von Sven Giegold für die Mitgliederzeitschrift der IG Metall.

Gewerkschaften und Umweltbewegung: Helm und Halm

Es ist lange her, dass Umweltbewegung und Gewerkschaften sich unversöhnlich gegenüber standen: Hier die Rächer der Feldhamster und dort die Wachstumsfetischisten ohne Sinn für die natürlichen Lebensgrundlagen. Die Zeiten haben sich geändert. Heute müssen Umweltschutz und Gewerkschaften gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Die Mehrheit in der Umweltbewegung und bei den Grünen hat gelernt, dass der Schutz der Natur nur mit den Menschen und insbesondere mit einer überzeugenden Antwort auf die wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Zukunft geht. Umgekehrt sehen sich die Gewerkschaften durch Klimawandel und Ressourcenknappheit einem ökologisch getriebenen Strukturwandel aller Schlüsselindustrien gegenüber.Energieeffizienz
Die Energieversorgung muss weg vom immer teurer werdenden Öl und Gas. Dabei zeigen immer mehr Studien, dass der Umstieg auf Energieeffizienz und 100 Prozent erneuerbare Energien keine Spinnerei ist, sondern möglich und bereits im vollen Gange ist. Gerade die Maschinenbaubranche ist ein Gewinner dieser Strategie.

Ähnliches gilt für die Materialeffizienz. In der verarbeitenden Industrie liegen die Materialkosten mit circa 40 Prozent doppelt so hoch wie die Arbeitskosten. Diese Tendenzwirdsich angesichts global begrenzter Ressourcen fortsetzen.Die Industrie der Zukunft wird entweder energie- und materialeffizient sein – oder kaumüberlebensfähig. Neue Fundamente.

Die Mobilitätsindustrien Bahn, Busse, Autos und Luftverkehr stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Einerseits ist der zügige Ausbau von BahnenundöffentlichenVerkehrsmitteln angesagt. Andererseits mussdasAuto grünerwerden, also leichter, sparsamer undmit regenerativer Energie angetrieben.

Mobilität
Für kurze Strecken bietet das Elektroauto hier die größten Chancen. Andere Länder, allen voran China, machen uns derzeit vor, wie dieser Wandel durch eine gezielte grüne Industriepolitik vorangetrieben werden kann. Die Chemieindustrie hängt am Tropf des Öls, der wichtigsten Rohstoffbasis. Auch hier sind Um baukonzepte in Richtung Effizienz und nachwachsende Rohstoffe gefragt. Die Branche, in der es früher stank und krachte, würde auch von einer konsequenten energetischen Sanierung des Gebäudebestands profitieren. Mit ordentlichem Dämmmaterial und mehr Anstrengungen in der Altbausanierung könnten wir nicht nur mehrere hunderttausend Jobs schaffen, sondern auch die Energiekosten der Bewohner langfristig senken.

Bei all dem geht es nicht um ein paar zusätzliche Ökoprodukte, sondern um einen ganz grundlegenden Umbau der Industrie. Wer diesen Wandel verschläft oder die notwendigen politischen Rahmensetzungen dafür behindert, wird die effizienten Produkte von anderswo einführen müssen. Es werden diejenigen Regionen und Unternehmen die Entwickler und Exporteure der Zukunft sein, die den notwendigen Investitionsschub zuerst zuwege bringen.

Neue Allianzen
In den USA und Großbritannien arbeiten Gewerkschaften und Umweltverbände in einflussreichen Bündnissen an der gemeinsamen Durchsetzung einer ökologischen Industriepolitik. Die Zahl der „blaugrünen Allianzen“ wächst stetig. Das heißt nicht, dass nun alle Konflikte verschwinden. Auch weiterhin wird es Konflikte geben zwischen dem Wunsch nach Arbeitsplätzen und dem Wunsch, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Aber in Gewerkschaften und Umweltorganisationen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass der Widerspruch nicht zwischen Arbeit und Natur, sondern zwischen alten umweltschädlichen Jobs und neuen Zukunftsbranchen besteht.

Die Grünen können von den Gewerkschaften lernen, wie wichtig die soziale Frage dabei ist. Der ökologische Wandel wird nur kommen, wenn er sozial gerecht gestaltet wird. Es war ein Irrweg, nur auf die Ökosteuer und die Verteuerung umweltschädlichen Konsumierens und Produzierens zu setzen. Vielmehr kommt es darauf an, mit einer modernen ökologischen Industriepolitik bezahlbare Angebote an Produkten und Arbeitsplätzen zu schaffen, damit sich die Menschen auch wirklich umweltfreundlich verhalten können.

Umgekehrt können Gewerkschaften in der Kooperation mit den Umweltverbänden lernen, wie man auch außerhalb von Arbeitskämpfen erfolgreich Kampagnen macht. Gerade beim Einsatz des Internets, aber auch bei der Stärkung der Glaubwürdigkeit der Organisationen, können Gewerkschaften von den Öko-Organisationen noch einiges lernen.

Neue Aussichten
Ein Bündnis für den ökologischen Umbau der Industrie und umweltfreundlichen Konsumkönnte also sowohl für Gewerkschaften wie auch für die Umweltbewegungen, für gute Arbeit und die Natur ein großer Gewinn sein.Vielleicht wird sogar noch mehr daraus: Die politische Basis für neue gesellschaftliche und politische Mehrheiten, die spätestens 2013 die rückstandsfreie Entsorgung der schwarz-gelben Koalition erlaubt.