Sven Giegold

Durchbruch für nachhaltige Investments: Ministerrat und Europaparlament einigen sich auf Klassifizierung

Soeben einigten sich Europäisches Parlament und Ministerrat auf einen Kompromiss für die Klassifizierung nachhaltiger Investments (Taxonomie). Die Verordnung definiert europaweit, welche wirtschaftlichen Aktivitäten sich nachhaltig nennen und damit in einem als nachhaltig beworbenen Finanzprodukt stecken dürfen. Als nachhaltig gilt, wer einerseits einen positiven Beitrag leistet zum Klimaschutz, ohne gleichzeitig in anderen Bereichen der Umwelt zu schaden (do-no-harm-Prinzip). Die Klassifizierung soll prinzipiell für alle Finanzprodukte gelten. Anbieter, die sie nicht anwenden, müssen das in einem Hinweis angeben. Kohle wird explizit aus nachhaltigen Finanzprodukten ausgeschlossen. Da zudem die Umweltschutzstandards (do-no-harm-Prinzip) sehr hoch sind, wird Atomkraft sich nicht qualifizieren können und wird damit de-facto aus nachhaltigen Finanzprodukten ausgeschlossen. Die Frage bezüglich der Nachhaltigkeit von Atomkraft war bis zuletzt eine Hürde in den Verhandlungen. Das Europaparlament und eine Koalition aus Deutschland, Österreich und Luxemburg waren dagegen, während Frankreich sich dafür einsetzte. Die Einigkeit im Raum über den faktischen Ausschluss der Atomkraft war ein Erfolg für das Europaparlament.

Die genauen Schwellenwerte für die Definition von Nachhaltigkeit wird die Kommission noch ausarbeiten. Diesem Vorschlag müssen Ministerrat und EU-Parlament dann noch zustimmen, bevor die Klassifizierung einsatzbereit ist. Die Pflicht, den Anteil an nachhaltigen Aktivitäten anzugeben, gilt neben nachhaltigen Finanzprodukten auch für sehr große Unternehmen. Für eine umfassende Taxonomie, die auch umweltschädliche Aktivitäten einordnet, sowie eine soziale Taxonomie, soll die EU-Kommission bis Ende 2021 eine Auswirkungsstudie vorlegen. Berichterstatter*innen waren der Grüne Bas Eickhout (Niederlande) und die finnische Christdemokratin Sirpa Pietikäinen.

Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Dies ist ein ein Meilenstein für nachhaltige Finanzmärkte. Das heutige Ergebnis ist ein riesiger grüner Erfolg unserer langjährigen Arbeit für nachhaltige Finanzmärkte. Viele Christdemokraten in Berlin und Brüssel hatten sich lange grundsätzlich skeptisch gegenüber der europäischen Regeln für nachhaltige Finanzprodukte gezeigt. 

Die neuen Regeln werden private Investitionen in eine grüne Ökonomie freisetzen und verbilligen. Für Förderbanken wie EIB und KfW werden die Regeln den neuen Maßstab für ihre Investitionen setzen. Selbst die EZB hat angekündigt, die neuen Regeln anzuwenden. Umweltschädliche Investments werden sich verteuern. 

Europa schafft endlich Eindeutigkeit bei der Frage, welche Finanzprodukte sich nachhaltig nennen dürfen. Die Klassifizierung schiebt Greenwashing den Riegel vor. Es ist ein großer Erfolg, dass nun alle Finanzprodukte die Klassifizierung anwenden oder klar angeben müssen, dass sie es nicht tun. Das schafft echte Breitenwirkung für nachhaltige Finanzprodukte. Kohle ist explizit ausgeschlossen aus nachhaltigen Finanzprodukten, während die Hürden für Atomkraft so hoch gesetzt sind, dass sie keinen Weg in ein nachhaltiges Finanzprodukt finden kann. Das Nein zu Kohle und de-facto zu Atomkraft ist maßgeblich für den künftigen Erfolg nachhaltiger Finanzprodukte und sorgt für Vertrauen der Anleger.

Die do-no-harm-Prinzipien stellen sicher, dass nachhaltige Finanzprodukte auf die Einhaltung von Menschenrechten geprüft werden. Wir werden weiter dafür streiten, dass die Kommission so bald wie möglich einen Vorschlag für die umfangreiche soziale Klassifizierung von Finanzprodukten vorlegt.

Die neue Nachhaltigkeitstransparenz wird mehr Investitionen in den grünen Umbau unserer Wirtschaft lenken. Der Finanzsektor wird so einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Europa die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht. In ihrer anstehenden Ausarbeitung der genauen Schwellenwerte für die Definition von Nachhaltigkeit muss die Kommission die Messlatte hoch anlegen, um einen echten Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten.”

Auch in dieser Mandatsperiode wird die EU-Kommission einen neuen Aktionsplan für grüne Finanzmärkte vorlegen: https://sven-giegold.de/dombrovskis-anhoerung/