Sven Giegold

Neuer Backstop für Bankenabwicklung: Nicht fit für die Krise

Heute Abend, am 30.11.2020, haben sich die Finanzminister der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf eine Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) geeinigt. Der Beschluss zur Reform erfolgte schon im Dezember 2013! Der Kompromiss lag bereits seit Dezember 2019 auf dem Tisch, wurde aber zwischenzeitlich von verschiedenen Mitgliedstaaten blockiert. Im Zuge der Einigung haben die Finanzminister außerdem beschlossen, dass bereits ab 2022 der ESM eine Letztsicherung (backstop) für den europäischen Bankenabwicklungsfonds (SRF) in Form einer Kreditlinie stellt. Diese muss jedoch im Notfall erst erst eine Mehrheit von 80% der Stimmanteile unter den Euroländern erreichen. Die Stimmanteile richten sich nach dem Kapitalschlüssel der Mitglieder am ESM. Deutschland hat damit ein Vetorecht.

 

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Die heutige Einigung der Finanzminister ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Der europäische Bankenabwicklungsfonds allein ist zu klein, um glaubhaft mit gleich mehreren Banken in Schieflage umgehen zu können. Die zusätzliche Absicherung durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus ist deshalb grundsätzlich eine gute Idee. Doch leider krankt es an der Umsetzung. Der Backstop ist zu klein, zu unpraktisch, zu unverbindlich. Viel Glaubwürdigkeit wird dadurch verspielt, dass jeder Einsatz erst vom Großteil der Eurogruppe genehmigt werden muss. Die großen Länder wie Deutschland besitzen ein faktisches Vetorecht. Im Ernstfall werden die Finanzmärkte so weiter auf die Pleite von Banken wetten. Für ein echtes Bekenntnis zur Bankenunion fehlte vor allem Deutschland der Mut.

Es ist grotesk, dass die Finanzminister ihre Zustimmung auch damit begründen, dass der Bankensektor seit der Eurokrise erfolgreich Risiken abgebaut hat. Noch weiß niemand genau, welche Ausfälle die europäischen Banken durch die Pandemie insgesamt verkraften müssen. Viele Experten halten eine erneute Bankenkrise aber für möglich, wenn in den kommenden Jahren Hilfsprogramme auslaufen und sich Firmenpleiten häufen. Jeder weiß, dass der europäische Abwicklungsfonds für eine solche systemische Krise nicht gewappnet ist. Daran ändert auch der begrenzte Backstop nichts. Eine echte Antwort, wie mit einer möglichen Corona-Bankenkrise umgegangen werden soll, bleibt auch die Eurogruppe heute schuldig.”

 

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Erklärung der Eurogruppe zur ESM-Reform:
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/11/30/statement-of-the-eurogroup-in-inclusive-format-on-the-esm-reform-and-the-early-introduction-of-the-backstop-to-the-single-resolution-fund/

Meine Einschätzung des Kompromisses im Dezember 2019:
https://sven-giegold.de/eurogipfel-wacklige-letztsicherung/

Rubrik: Europaparlament, Wirtschaft & Währung

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