Sven Giegold

Streit um Außenhandelspolitik

Zwischen Komission und Parlament ist in Brüssel in Bezug auf die Außenhandelspolitik ein Streit ausgebrochen. Auslöser dafür war ein geplantes Freihandelsabkommen mit Kolumbien und die laufenden Verhandlungen mit Indien. Da seit Inkrafttreten des Lissabonvertrags nicht nur der Ministerrat, sondern auch das Parlament den Entscheidungen des Handelskomissars zustimmen muss, fühlten sich die Parlamentarier durch die Vorgehensweise von Komissar De Gucht übergangen. Das Handelsblatt vom 17.3. berichtete:


http://www.handelsblatt.com/politik/international/handelspolitik-eu-parlament-droht-mit-veto;2547414

EU-Parlament droht mit Veto

Zwischen der EU-Kommission und dem Europaparlament ist ein Machtkampf um den Außenhandel entbrannt. Das Parlament pocht auf seine neuen Rechte aus dem Lissabon-Vertrag und droht damit, bereits fertig verhandelte Freihandelsabkommen platzen zu lassen.

EU-Handelskommissar Karel De Gucht droht eine Klage vom Parlament. Quelle: ap

HB BRÜSSEL. Vor allem die 2009 geschlossene Vereinbarung mit Südkorea stößt auf Kritik. Aber auch das neue Abkommen mit Kolumbien und die laufenden Verhandlungen mit Indien sorgen für Ärger in Brüssel.

„Wir werden aus den Gesprächen herausgehalten, das ist ein unhaltbarer Zustand“, kritisierte FDP-Handelsexperte Michael Theurer im Gespräch mit dem Handelsblatt. Die Kommission müsse das Parlament „zeitnah und angemessen“ über die Gespräche mit Indien informieren, wenn es verhindern wolle, „dass wir in die Rolle des Neinsagers kommen“. Ähnlich äußerte sich der SPD-Abgeordnete Bernd Lange. „Meine Geduld ist begrenzt“, sagte er. Wenn Handelskommissar Karel De Gucht nicht bald einlenke, drohe eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Bisher konnte die Kommission in der Handelspolitik ziemlich frei schalten und walten. Nicht ohne Stolz stellte die Brüsseler Behörde heraus, dass sie die größte Handelsmacht der Welt vertrete – mit 18,5 Prozent Anteil am Welthandel lag die EU 2008 noch deutlich vor den USA und China. Der Handelskommissar war einer der mächtigsten Männer Brüssels; ausgehandelte Abkommen mussten nur noch vom Ministerrat gebilligt werden.

Nach dem neuen EU-Vertrag von Lissabon muss nun aber auch das Europaparlament zustimmen. Eine interne Vereinbarung mit der Kommission sieht zudem umfassende Informations- und Konsultationsrechte vor. Damit erlangt die Straßburger Kammer in der Handelspolitik eine ähnlich starke Stellung wie der US-Kongress in Washington. Und die Abgeordneten sind entschlossen, sie zu nutzen.

„Wer meint, künftig am Parlament vorbei in internationale Verhandlungen treten zu können, handelt grob fahrlässig“, warnt der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU). Der Handelsausschuss müsse „die notwendige Härte entwickeln“, fordert Brok, der an der Ausarbeitung des EU-Vertrags beteiligt war. Nur so könne sich aus den „neuen Rechten und Pflichten des Parlaments eine wirkliche Demokratisierung der Handelspolitik entwickeln.“

Zum Schwur könnte es bereits im April kommen. Dann will sich das Parlament das Freihandelsabkommen mit Südkorea vornehmen. Schon jetzt hagelt es Kritik: Die Vereinbarung schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall, weil die EU erstmals einem Industriestaat eine Zollrückerstattung einräume, kritisiert FDP-Experte Theurer. Dies könne zu einem„zollfreien Zugang für chinesische Güter zum europäischen Markt durch die Hintertür“ führen. Die EU-Kommission müsse daher dringend nachbessern.

Streit gibt es auch über das neue Abkommen mit Kolumbien. Der Andenstaat steht wegen der Verfolgung von Gewerkschaftern international in der Kritik. Die USA haben deshalb ein Freihandelsabkommen auf Eis gelegt. „Es war unklug, aus der internationalen Phalanx auszubrechen, zumal Kolumbien ökonomisch marginal ist“, kritisiert SPD-Experte Lange. „Die EU fällt den USA in den Rücken“ sagte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. Die Kommission müsse sich auf eine „scharfe Kontroverse“ einstellen.

Handelskommissar De Gucht wies die Kritik zurück. Seit seinem Amtsbeginn Ende Februar habe er dem Parlament bereits zweimal Rede und Antwort gestanden. Rückendeckung erhalten die Abgeordneten dagegen vom Bundesverband der Deutschen Industrie. „Die Handelspolitik ist eine wichtige Triebfeder für das Wachstum“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Deshalb sei Transparenz besonders wichtig.

NEUE RECHTE

Gesetzgebung

Seit der Lissabonner Vertrag in Kraft ist, ist das Parlament neben dem Ministerrat gleichberechtigter Gesetzgeber, wenn es um die Grundsätze der Handelspolitik geht. Außerdem muss die EU-Kommission den Abgeordneten regelmäßig Bericht über den Stand der Verhandlungen über neue Handelsabkommen geben.

Abkommen Die Abgeordneten müssen allen neuen Handelsabkommen zustimmen. Die Mitwirkung bezieht sich nicht mehr nur auf Waren, Dienstleistungen und Handelsaspekte des geistigen Eigentums, sondern auch auf ausländische Direktinvestitionen.

Rubrik: Europaparlament, Politik

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