Sven Giegold

Transparenzregister für Lobbyisten: Kommission darf vor Europawahl nicht jeglichen Fortschritt verweigern

Gestern haben EU-Kommission, Europaparlament und Rat ohne klares Ergebnis über das Transparenzregister für Lobbyisten verhandelt. Politico berichtet, dass Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, weiterhin auf einem Verbot von Treffen mit nicht im Transparenzregister erfassten Lobbyisten für Entscheidungsträger aller EU-Institutionen besteht. Auch für Entscheidungen Verantwortliche im Europaparlament und Rat der Mitgliedstaaten müssten diese Regel für sich akzeptieren. Die EU-Kommission verpflichtet seit 2014 Kommissare, ihre direkten Mitarbeiter und Generaldirektoren nur registrierte Lobbyisten zu treffen und diese Treffen öffentlich aufzulisten. Die meisten Kommissionsmitarbeiter, die neue EU-Gesetze oder Handelsverträge entwerfen und dafür Lobbykontakte haben, sind allerdings von diesen Regeln bisher nicht betroffen. Sylvie Guillaume (französische Sozialdemokratin), zusammen mit Danuta Hübner (polnische Christdemokratin), Verhandlungsführerin für das Parlament, kommentierte die Position von Timmermans als respektlos. Es sei eine „riskante Wette“, wenn Timmermans auf mehr Entgegenkommen des nächsten Parlaments nach den Europawahlen hoffe. Am 31. Januar hatte das Europaparlament zum ersten Mal verbindliche Lobbytransparenzregeln beschlossen. An EU-Gesetzen mitschreibende Europaabgeordnete müssen ihre Treffen mit Lobbyisten öffentlich auflisten. Die Regel war ursprünglich ein Vorschlag der Grünen und basiert auf der von Sven Giegold entworfenen Parlamentsresolution über Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen von 2017. Das Europaparlament kann noch bis 17 April einer neuen Vereinbarung unter den Institutionen zustimmen. Sonst müsste das neue Parlament nach der Europawahl eine neue Verhandlungsposition erarbeiten.

 

Dazu sagt Sven Giegold, Berichterstatter des Europaparlaments für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen:

“Ein Scheitern der Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen für ein stärkeres Transparenzregister kurz vor der Europawahl wäre eine verpasste Chance für die Europäische Demokratie. Es ist lobenswert, wie die EU-Kommission mit verbindlicher Lobbytransparenz für ihre höchsten Entscheidungsränge vorangegangen ist. Aber es ist nötig, dass alle Kommissionsmitarbeiter, die EU-Gesetze entwerfen und Handelsverträge verhandeln, den Regeln für Lobbytransparenz folgen.

Dem großen Schritt des Europäischen Parlaments für verbindliche Lobbytransparenz sollte ein nächster Schritt der Kommission folgen. Die Gespräche der Institutionen vor den Wahlen ohne Ergebnis zu beenden, wäre ein schädliches Signal mangelnder Kompromissfähigkeit. Die Sozialdemokratischen Verhandlungsführer beider Seiten, der europäische Spitzenkandidat Frans Timmermans und Parlaments-Vizepräsidentin Sylvie Guillaume sollten schnellstmöglich einen neuen Anlauf unternehmen.

Ein Kompromiss zwischen Kommission und Parlament hilft, um den Druck auf den Rat der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Der Rat der Mitgliedstaaten bleibt die einzige EU-Institution völlig ohne verbindliche Lobbytransparenz. Die Ständige Vertretung Finnlands veröffentlicht neuerdings als erste pro-aktiv Lobbytreffen online. Die EU-Vertretungen der Niederlande und Rumäniens haben Lobbytreffen für alle Mitarbeiter der Ständigen Vertretung auf Anfrage der NGO Corporate Europe Observatory veröffentlicht. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten verdienen ebensolche Transparenz, welche Lobbyisten ihre Regierungsvertreter in Brüssel treffen.”

 

Zum Beschluss des Europaparlaments vom 31. Januar: https://sven-giegold.de/riesiger-erfolg-fuer-lobbytransparenz/

 

Lobbytransparenz der Finnischen Ständigen Vertretung: https://sven-giegold.de/finnische-botschaft-bei-der-eu-macht-lobby-treffen-transparent/